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Harter Schnitt

Harter Schnitt

Titel: Harter Schnitt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
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versuchte, die Einzelteile zu einem Bild zusammenzufügen. » Julia sagte, dass diese Jungs durchdrehen. Gangster sein wollen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Haufen testosterongeschwängerter Mitzwanziger sich von einer Frau mittleren Alters herumkommandieren lassen will.«
    » Und ich dachte die ganze Zeit, Männer mögen das.« Amanda schaute auf den Toten hinunter. » Er schwitzt wie ein Schwein. Der hatte mit Sicherheit irgendwas eingeworfen.«
    Irgendetwas, das ihn in die Lage versetzte, den Aufprall eines Vollmantelgeschosses Kaliber 223, 55 Grain mitten auf die Brust auszuhalten und Sekunden später hochzuschnellen wie Weißbrot aus dem Toaster.
    Amanda stieß den Toten mit der Schuhspitze an und drehte ihn um, damit sie seine Brieftasche suchen konnte. » Auf jeden Fall hinterlassen diese Youngsters nicht gern Zeugen.« Sie zog den Führerschein heraus. » Juan Armand Castillo. Vierundzwanzig. Wohnt in der Leather Stocking Lane in Stone Mountain.« Sie zeigte Will den Führerschein. Castillo sah aus wie ein Lehrer, nicht wie ein Kerl, der einen GBI -Agenten mit einer Maschinenpistole über einen Parkplatz jagt.
    Sie zog den Reißverschluss von Castillos Jacke ganz auf. Ihre Glock steckte in seiner Hose. Sie zog sie heraus und sagte: » Na, wenigstens hat er nicht mit meiner eigenen Waffe auf mich geschossen.«
    Will half ihr, die Seitenschnallen der Kevlar-Weste zu öffnen.
    » Riechen tut er auch noch.« Amanda schob sein T-Shirt hoch und schaute auf seine Brust. » Keine Tattoos.« Sie suchte die Arme ab. » Nichts.«
    » Schauen Sie auch die Hände an.«
    Castillo hatte die Hände zu Fäusten geballt. Mit bloßen Händen bog sie die Finger zurück, was so gut wie jeder polizeilichen Vorgehensweise widersprach, aber Will hatte sich bereits zum Komplizen gemacht, und deshalb war es nicht wirklich wichtig.
    Sie sagte: » Nichts.«
    Will ließ den Blick über den Parkplatz schweifen. Jetzt waren nur noch zwei Autos da, der Bentley und der Mercedes. » Glauben Sie, da ist noch jemand drin?«
    » Der Bentley gehört Ling-Ling. Ich kann mir vorstellen, dass sie immer ein zweites Auto irgendwo in der Nähe stehen hat, und das benutzt sie jetzt, um so gründlich wie irgend möglich unterzutauchen. Der Mercedes gehört Perry.« Sie erläuterte: » Der Tote im Foyer.«
    » Sie scheinen sehr viel über diese Leute zu wissen. Mandy.«
    » Dafür bin ich jetzt wirklich nicht in Stimmung, Will.«
    » Julia Ling steht in der Hackordnung sehr weit oben. Sie ist praktisch der kräftigste Schnabel.«
    » Gibt es einen Grund, warum Sie reden wie der Hühnerhabicht aus den Looney Tunes?«
    » Ich will damit nur sagen, dass man entweder sehr wagemutig oder ausgesprochen dumm sein muss, um jemanden mit Julia Lings Einfluss abknallen zu wollen. Ihr Bruder wird das nicht einfach so hinnehmen. Sie haben mir selbst gesagt, dass er so gut wie wahnsinnig ist. Auf seine Schwester zu schießen, das ist eine offene Kriegserklärung.«
    » Endlich mal ein springender Punkt.« Sie gab ihm sein Taschentuch zurück. » Konnten Sie die Männer in dem Van erkennen?«
    Er schüttelte den Kopf. » Jung, schätze ich. Sonnenbrillen. Kappen. Jacken. Ansonsten nichts, was ich beschwören könnte.«
    » Ich verlange ja nicht, dass Sie schwören. Ich will nur…« Plötzlich zerriss Sirenengeheul die Luft. » Lange genug haben sie gebraucht.«
    Will schätzte, dass der erste Schuss vor weniger als fünf Minuten abgegeben worden war. Nach seiner Rechnung war das eine ziemlich gute Reaktionszeit.
    Er fragte: » Konnten Sie sie erkennen?«
    Sie schüttelte den Kopf. » Ich denke, wir sollten nach jemandem suchen, der Erfahrung mit Schießen aus einem fahrenden Auto hat.«
    Was die Schüsse anging, hatte sie recht. Jemandem aus einem fahrenden Auto zweimal in den Kopf zu schießen, das war, auch wenn es aus kurzer Distanz geschah, beileibe kein Glückstreffer. Dazu brauchte man Übung, und offensichtlich hatte Castillos Mörder einen Fehlschuss gar nicht in Betracht gezogen.
    Will fragte: » Warum haben die nicht Sie erschossen?«
    » Beklagen Sie sich, oder fragen Sie das wirklich?« Amanda wischte sich etwas vom Arm. Sie schaute auf Castillo hinunter. » Schätze, jetzt sind es nur noch zwei. So werden wenigstens unsere Chancen besser.«
    Sie redete über die Fingerabdrücke, die man in Evelyns Haus gefunden hatte. » Es sind drei.«
    Sie schüttelte den Kopf, ohne den Blick von der Leiche abzuwenden.
    Er zählte es für sie an den Fingern ab.

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