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Harter Schnitt

Harter Schnitt

Titel: Harter Schnitt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
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T-Shirt waren aufgeschnitten worden, um wenigstens zu versuchen, ihm das Leben zu retten. Es war nur ein oberflächliches Bemühen gewesen, der Mann hatte sich selbst die Drosselvene durchtrennt. Er hatte schon beinahe die Hälfte seines Bluts verloren, als sie es schafften, ihn vom Boden hochzuheben und auf den Tisch zu legen. Sara wusste das, weil sie die Ärztin gewesen war, die ihn behandelte.
    Sie hob den Kopf. Amanda und Will starrten sie an.
    » Entschuldigung«, sagte sie. Sie musste sich räuspern, bevor sie weitersprechen konnte. » Er ist ungefähr im gleichen Alter wie Estevez. Mitte bis Ende zwanzig. Für seine Größe untergewichtig.« Sie deutete auf die Einstichspuren auf seinem Arm. Der intravenöse Katheter, den sie ihm gesetzt hatte, war noch mit Klebeband an seinem Arm befestigt. » Konsumierte erst kürzlich intravenös Drogen.« Sie fand ein Otoskop und untersuchte die Nase des Mannes. » In den Nasengängen sind deutliche Vernarbungen zu erkennen.« Sie schob das Gerät tiefer hinein. » Er ließ sich die Scheidewand chirurgisch reparieren, also haben wir es mit Koks oder Meth, vielleicht auch Oxy zu tun. Alle drei Substanzen wirken sehr knorpelschädigend.«
    Will fragte: » Was ist mit Heroin?«
    » Natürlich Heroin.« Wieder entschuldigte sich Sara. » Tut mir leid, die meisten Heroinkonsumenten, die ich sehe, rauchen oder spritzen es sich. Die Schnupfer landen meistens direkt in der Leichenhalle.«
    Amanda verschränkte die Arme. » Was ist mit seinem Bauch?«
    Sara musste nicht in die Akte schauen. Röntgenaufnahmen waren keine gemacht worden. Der Mann war verstorben, bevor irgendwelche Tests angeordnet werden konnten. Anstatt die Untersuchung fortzuführen, schaute Sara ihm noch einmal ins Gesicht. Franklin Heeney erinnerte kaum an einen Chorknaben, aber die von Akne vernarbte Haut und die eingefallenen Wangen sprachen eine deutliche Sprache für jemanden, der sich auf der Straße auskannte. Er hatte eine Mutter. Er hatte einen Vater, ein Kind, vielleicht eine Schwester oder einen Bruder, die vermutlich genau in diesem Augenblick erfuhren, dass ihr geliebter Sohn, Vater, Bruder tot war und dass er einen Mann kaltblütig getötet und Sara so heftig in die Brust geboxt hatte, dass ihr die Luft weggeblieben war. Bei dem Gedanken spürte sie die Prellung an ihrer Brust pochen. Auch sie hatte eine Mutter– eine Schwester, einen Vater–, die alle entsetzt wären, wenn sie hörten, was Sara heute passiert war.
    Amanda fragte: » Dr. Linton?«
    » Entschuldigung.« In der Zeit, die es dauerte, zu dem Beutel mit den Gummihandschuhen zu gehen und frische anzuziehen, schaffte sie es, sich wieder unter Kontrolle zu bekommen. Sie ignorierte Wills besorgten Blick und drückte ihre Finger auf den Bauch des Toten. » Ich spüre nichts Ungewöhnliches. Die Organe liegen korrekt und sind normal groß. Keine Schwellung oder Verdichtung in Darm oder Magen.« Sie riss die Handschuhe herunter und warf sie in den Abfall. Das Wasser im Spülbecken war kalt, aber Sara wusch sich trotzdem die Hände. » Zum Röntgen kann ich ihn nicht schicken, weil sie dort eine Patienten-Identifikation brauchen, und ehrlich gesagt, ich will keinen Lebenden warten lassen, nur um Neugier zu befriedigen. Das Büro des ME wird Ihnen eine eindeutige Antwort geben.« Sie drückte sich antibakterielles Gel auf die Handfläche und bemühte sich um eine sachliche Stimme. » Ist das alles?«
    » Ja«, sagte Amanda. » Vielen Dank, Dr. Linton.«
    Sara reagierte nicht auf die Antwort. Sie ignorierte Will. Sie ignorierte die beiden Leichen. Sie hielt den Blick stur auf die Tür gerichtet, bis sie hindurchgegangen war. Im Korridor konzentrierte sie sich auf den Aufzug, den Knopf, den sie drücken musste, die Zahlen, die über der Tür aufleuchten würden. Sie musste hier raus und nach Hause fahren, sich auf der Couch in eine Decke wickeln und die Hunde an sich drücken, um diesen elenden Tag zu vergessen.
    Hinter sich hörte sie Schritte. Will rannte schon wieder. Er holte sie schnell ein. Sie drehte sich um. Ein paar Meter von ihr entfernt blieb er stehen.
    Er sagte: » Amanda gibt eine Anfrage an alle Dienststellen wegen des Tattoos aus.«
    Warum stand er einfach nur da? Warum kam er immer zu ihr gerannt und tat dann absolut gar nichts?
    Er sagte: » Vielleicht finden wir…«
    » Das ist mir völlig egal.«
    Er starrte sie an. Seine Hände steckten in den Taschen. Der Ärmel seines Jacketts spannte sich straff um seinen Oberarm. Im

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