Harter Schnitt
ist eine Amateur-Nummer. Julia Ling hat es uns doch fast auf dem Silbertablett serviert. Wir haben es hier mit ein paar dummen, grünen Jungs zu tun, die zu wissen glauben, wie man Räuber und Gendarm spielt. Wir haben sie flach auf der Erde oder bereits darunter, bevor sie überhaupt merken, was mit ihnen geschieht.«
Will ließ sich nicht beirren. » Sie mögen jung sein, aber sie haben keine Angst. Sie haben eine Menge Leute getötet und sind eine Menge dummer Risiken eingegangen.«
» Kein dümmeres Risiko, als Sie anstelle von Faith zu schicken. Auf diese Art riskiert man Menschenleben.« Amanda traf eine Entscheidung. » Wir machen es auf meine Art. Wir überlegen uns, wie wir unsere Leute strategisch positionieren können. Wir haben Faith die ganze Zeit im Blick. Wir warten, bis die Entführer mit Evelyn auftauchen. Faith wird den Austausch vornehmen, und dann schnappen wir sie, wenn sie zu flüchten versuchen.«
Will gab nicht nach. » Sie darf das nicht tun. Sie darf da nicht allein reingehen. Entweder Sie lassen es mich tun, oder wir finden einen anderen Weg.«
Faith sagte: » Wenn ich nicht allein bin, ist meine Mutter tot.«
Will starrte zu Boden. Offensichtlich glaubte er noch immer an die Möglichkeit, dass Evelyn Mitchell bereits tot war. Sara merkte, dass sie ihm insgeheim beipflichtete. Das alles klang nicht nach einem Plan, um Evelyn zurückzuholen. Es klang nach einem Plan, der Faith’ Tod bedeutete. Amanda war so darauf versessen, ihre Freundin zu retten, dass sie die möglichen Kollateralschäden einfach ausblendete.
Sara hatte den Kaffee ganz vergessen. Einen Becher behielt sie selbst, die anderen gab sie Amanda und Will.
» Danke.« Will nahm seinen Becher linkisch entgegen, so als wollte er unbedingt vermeiden, dass ihre Hände sich berührten.
Faith sagte: » Er trinkt keinen Kaffee. Ich nehme seinen.«
Sara spürte ihre Wangen heiß werden. » Im Augenblick sollten Sie besser kein Koffein zu sich nehmen.«
Will räusperte sich. » Ist okay. Manchmal mag ich ihn ganz gern.« Er nippte an seinem Kaffee, und als er schluckte, musste er sich offensichtlich beherrschen, um nicht das Gesicht zu verziehen.
Sara hielt das alles nicht mehr aus. Sie fühlte sich fehl am Platz. » Ich sollte Sie jetzt wohl besser allein lassen.«
Amanda hielt sie zurück. » Wenn Sie nichts dagegen haben, Dr. Linton. Ich würde gern auch Ihre Meinung hören.«
Sie schauten sie alle an. Auch wenn das kaum möglich war, fühlte Sara sich jetzt noch nackter als zuvor. Sie blickte hilfesuchend zu Will, aber er sah sie ausdruckslos an.
Sie konnte nichts dagegen tun. Also setzte sie sich neben Faith.
Amanda nahm auf dem anderen Hocker Platz. » Okay, gehen wir durch, was wir wissen, damit wir alle auf demselben Stand sind. Will, berichten Sie.«
Will stellte die Tasse ab und fing an zu reden. Er erzählte Faith alles, was seit Evelyns Entführung passiert war, beschrieb detailliert den Tatort, ihren Besuch bei Boyd Spivey im D&C und seinen schweigenden Exkollegen im Valdosta State Prison. Faith öffnete überrascht den Mund, als sie von Roz Levys Foto von Evelyns Herrenbekanntschaft hörte. Dennoch schwieg sie auch, als er detailliert Saras Martyrium im Krankenhaus und die Schießerei vor Julia Lings Lagerhaus beschrieb. Sara spürte die vertraute Enge in der Brust, als er zu diesem letzten Punkt kam. Der Schnitt an seinem Ohr. Eine Kugel war vorbeigesaust, nur gut zwei Zentimeter von seinem Kopf entfernt.
Will sagte: » Ricardo Ortiz und Hironobu Kwon kannten sich aus der Schule. Sie gingen auf die Westminster. Wahrscheinlich arbeiteten sie gemeinsam in Ling-Lings Möbelfabrik. Dann kamen sie auf die Idee, Geschäfte auf eigene Faust zu machen. Ricardo flog nach Schweden und holte Heroin, das sie hier verkaufen wollten. Laut Roger Ling prahlten die Jungs ziemlich damit herum. Benny Choo, der Schläger der Yellow Rebels, nahm sich Ricardo vor und prügelte ihm die Seele aus dem Leib. Er wollte ihn umbringen, aber Ricardo, oder vielleicht Hironobu, sagten ihm, wo richtiges Geld zu holen wäre.«
Faith hatte das alles schweigend aufgenommen, aber jetzt flüsterte sie: » Bei Mom.«
» Genau«, bestätigte Will. » Chuck Finn und Hironobu Kwon waren mindestens einen Monat lang in derselben Entzugsklinik. Anscheinend hatte Chuck Hironobu von dem Geld erzählt. Ricardo stand kurz vor dem Tod, also sagt Hironobu: ›Ich weiß, wo wir fast eine Million in bar bekommen.‹ Choo nimmt das Angebot an.«
Amanda
Weitere Kostenlose Bücher