Harter Schnitt
zwanzig Jahre vergangen waren. » Mom hielt zu mir. Sie war…« Faith schüttelte den Kopf. » Ohne sie hätte ich das nicht durchgestanden. Sie sagte mir immer wieder, dass ich stark sein müsse, dass es irgendwann vorbei wäre und alles wieder in Ordnung kommen würde.«
Sara legte Faith die Hand auf die Schulter. Sie konnte sich den Schmerz kaum vorstellen, den diese Frau durchlitt.
Will starrte das iPhone an. » Was läuft da auf dem Fernseher hinter ihr?«
» Good Day, Atlanta. Ich habe es beim Sender überprüft. Über dem Senderlogo ist die Zeitangabe zu erkennen. Ich habe die Datei zwei Minuten später bekommen.«
Er gab Sara das Handy, schaute ihr aber noch immer nicht in die Augen.
Neugier war schon immer ihre Schwäche gewesen. Saras Lesebrille lag auf der Anrichte. Sie setzte sie auf, damit sie die kleinen Details erkennen konnte. Das Display zeigte Evelyn Mitchell vor einem großen Plasma-Bildschirm. Der Ton war abgestellt, aber Sara sah die Ansagerin des Wetterberichts auf die Fünf-Tage-Vorhersage deuten. Evelyn blickte an der Kamera vorbei, wahrscheinlich zu dem Mann, der sie filmte. Ihr Gesicht war eine blutige Masse. Sie bewegte sich steif, als hätte sie große Schmerzen. Ihre Worte klangen verwaschen, als sie zum Sprechen ansetzte. » Es ist Montagmorgen.«
Sara sah sich das Video zu Ende an, legte das Handy dann auf die Theke.
Faith schaute Sara eindringlich an. » Wie sieht sie aus?«
Sara nahm die Brille ab. Nur anhand eines grobkörnigen Videos konnte sie kaum eine medizinische Einschätzung abgeben, aber es war für jeden offensichtlich, dass Evelyn Mitchell heftig verprügelt worden war. Dennoch sagte sie: » Sie sieht aus, als würde sie durchhalten.«
» Das habe ich mir auch gedacht.« Faith wandte sich an Will. » Ich habe ihnen gesagt, ich würde mich um zwölf Uhr mittags mit ihnen treffen, aber in der E-Mail heißt es, zwölf-dreißig. In Moms Haus.«
» Im Haus Ihrer Mutter?«, wiederholte Will. » Das ist noch immer ein abgesperrter Tatort.«
» Vielleicht ist es ja inzwischen freigegeben. Das APD sagt mir rein gar nichts.« Faith bewegte wieder die Daumen über das Display und gab Will das Handy. » Oh«, sagte sie und griff erneut nach dem Gerät. » Hab ganz vergessen…«
» Geht schon.« Will nahm sich Saras Brille von der Theke und setzte sie auf. Einige Sekunden lang starrte er das Handy an. Sara wusste nicht, ob er die Mail wirklich gelesen hatte oder einfach nur riet, als er sagte: » Sie wollen das Geld.«
Faith nahm ihm das Gerät aus der Hand. » Es gibt kein Geld.«
Will starrte sie einfach nur an.
» Das mit dem Geld stimmt nicht«, sagte sie. » Es stimmte noch nie. Sie konnten ihr nichts nachweisen. Sie hatte keinen Dreck am Stecken. Boyd und der Rest der Truppe sahnten ab, aber Mom hat nie was genommen.«
» Faith«, sagte Will, » Ihre Mutter hatte ein Bankkonto.«
» Na und? Jeder hat ein Bankkonto.«
» Ein Bankkonto außerhalb dieses Staates. Auf den Namen Ihres Vaters. Sie hat es noch immer. Der Kontostand liegt bei sechzigtausend, soweit ich das sagen kann. Vielleicht gibt es andere Konten in anderen Staaten, auf andere Namen. Ich weiß es nicht.«
Faith schüttelte den Kopf. » Nein. Sie lügen.«
» Warum sollte ich deswegen lügen?«
» Weil Sie nicht zugeben können, dass Sie sich bei ihr geirrt haben. Sie hatte keinen Dreck am Stecken.« Tränen traten Faith in die Augen. Sie sah aus wie jemand, der die Wahrheit kannte, sie aber nicht akzeptieren konnte. » Nein, hatte sie nicht.«
Wieder klopfte es an der Tür. Sara vermutete, dass Abel Conford die fremden Autos auf dem Parkplatz endlich bemerkt hatte. Wieder hatte sie sich geirrt.
» Guten Morgen, Dr. Linton.« Amanda Wagner stand vor der Tür und sah alles andere als erfreut aus. Ihre Augen waren gerötet. Das Make-up auf ihrer Nase war verwischt. Wo Grundierung und Rouge ihre Wangen bedeckten, war die Haut dunkler.
Sara öffnete die Tür weiter, zog den Morgenmantel wieder fester um sich und fragte sich, woher dieser nervöse Tick plötzlich kam. Vielleicht tat sie es, weil sie darunter völlig nackt war und die schwarze Seide dünn war wie Krepppapier. Sie hatte nicht vorgehabt, an diesem Morgen eine Party zu geben.
Faith schien sichtlich verärgert, Amanda hier zu sehen. » Was machen Sie denn hier?«
» Roz Levy hat angerufen. Sie sagt, Sie hätten ihr Auto gestohlen.«
» Ich habe ihr eine Nachricht dagelassen.«
» Was sie komischerweise nicht als die angemessene Art
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