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Harter Schnitt

Harter Schnitt

Titel: Harter Schnitt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
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eigenes Kapitel erhalten hatte. Der Ersatzreifen war vorn im Kofferraum befestigt, direkt neben der benzinbetriebenen Innenraumheizung. Auch wenn der Winter vorbei war, wurde deren Tank befüllt, was Will jetzt wusste, weil er mit dem Gesicht neben diesem Tank lag, als Faith ihn zu Mrs. Levys Haus fuhr. Das Schwappen des Benzins war wie Meereswellen gewesen, die an eine Küste krachten. Oder ein sehr flüchtiger Brandbeschleuniger, der weniger als einen rostigen Millimeter von seinem Gesicht entfernt brodelte.
    Das Fahrzeug war deutlich vor der 2001 erlassenen Richtlinie der National Highway Traffic Safety Administration gebaut worden, die eine fluoreszierende Notöffnungsleine für jedes Fahrzeug zwingend vorschrieb, für den Fall, dass jemand im Kofferraum gefangen war. Will war sich nicht einmal sicher, ob er sie hätte erreichen können, auch wenn eine vorhanden gewesen wäre. Der Kofferraum war tief, aber nicht breit, eher wie ein Pelikanschnabel. Er lag eingezwängt in einem Hohlraum, der eigentlich nur für den Reservereifen und ein paar Koffer gedacht war– Modelle der Sechziger und nicht die modernen Dinger auf Rädern, in die die Leute für ein Wochenende in den Bergen ihren gesamtem Hausrat stopften.
    Kurz gesagt, es bestand die sehr reale Möglichkeit, dass er hier drinnen starb, bevor Roz Levy sich daran erinnerte, dass sie ihn herauslassen sollte.
    Ein dünner Lichtstrahl fiel durch die rissige Gummidichtung am Scharnier. Will nahm sein Handy zur Hand und schaute auf die Zeitangabe. Er lag schon seit fast zwei Stunden im Kofferraum und hatte noch mindestens eineinhalb vor sich. Sein Gewehr klemmte auf eine Art zwischen seinen Beinen, die nicht mehr angenehm war. Sein Pistolenhalfter war so verdreht, dass seine Glock in seine Seite drückte wie ein hartnäckiger Finger. Das Wasser in der Flasche, die Faith ihm gegeben hatte, war schon längst in das Plastik zurückrecycelt worden. In seinem metallenen Grab war es ungefähr tausend Grad heiß. Hände und Füße waren taub. Allmählich drängte sich ihm der Gedanke auf, dass dies keine gute Idee gewesen war.
    Der Begriff » Trojanisches Pferd« hatte ihn auf den Gedanken gebracht. Der Anruf bei Roz Levy zeigte, dass sie es ihnen nicht einfach machen würde. Sie war noch immer sauer, weil Faith ihr Auto genommen hatte, und hatte sich geweigert, einen von ihnen ins Haus zu lassen. Normalerweise war es Will, der idiotische Aktionen vorschlug, die er dann auch selbst übernahm. Faith würde die Corvair in den Carport zurückbringen. Er würde sich bis wenige Minuten vor der vereinbarten Zeit im Kofferraum verstecken. Mrs. Levy würde den Abfall herausbringen und unterwegs den Kofferraumdeckel öffnen. Will würde dann herauskriechen und Faith Deckung geben.
    Die Tatsache, dass Roz Levy diesem Alternativplan so schnell zugestimmt hatte, ließ bei ihm den Verdacht aufkommen, dass sie nicht wirklich mitspielen würde, aber inzwischen war schon eine Stunde vergangen, und sie hatten eigentlich keine andere Wahl.
    Es gab auch andere trojanische Pferde– die meisten waren allerdings intelligenter als Wills. Das Gute an Amandas alten Mädchen war, dass sie alt und dass sie Frauen waren, was für diese spezielle Situation eher untypisch war. Wer das Viertel überwachte, würde vor Testosteron strotzende junge Männer mit nervösem Finger am Abzug und Bürstenhaarschnitt erwarten. Amanda hatte sechs ihrer Freundinnen zu verschiedenen Häusern im Block geschickt. Sie trugen Backutensilien und Kuchenständer bei sich, ihre Handtaschen baumelten ihnen an den Armen. Einige trugen Bibeln. Für jeden, der sie beachtete, sahen sie aus wie Besucherinnen.
    Die Umgebung wurde von einem Transporter des Kabelfernsehens, dem Van einer mobilen Tierpflegefirma und einem leuchtend gelben Prius gesichert, den kein Polizist, der noch einen Funken Selbstachtung im Leib hatte, je fahren würde. Diese drei Fahrzeuge konnten den gesamten Verkehr auf den beiden Straßen überwachen, die zu Mitchells Teil des Viertels führten.
    Trotz alldem war Will nicht glücklich mit dem Plan. Es war das kleinere von zwei Übeln, wobei das größere Übel eine fehlende Polizei wäre. Es gefiel ihm nicht, dass Faith so verletzlich war, obwohl sie bewaffnet war und bereits bewiesen hatte, dass sie nicht zögern würde, jemanden zu erschießen. Sein Instinkt sagte ihm, dass Amanda sich irrte. Hier ging es nicht um Geld. Vielleicht an der Oberfläche. Vielleicht dachten sogar die Kidnapper, dass es hier nur

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