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Harter Schnitt

Harter Schnitt

Titel: Harter Schnitt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
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um harte Kohle ging. Letztendlich aber widersprach ihr Verhalten diesem Motiv. Hier ging es um etwas Persönliches. Jemand ließ da seinem Groll freien Lauf. Chuck Finn schien der wahrscheinlichste Täter zu sein. Seine Helfershelfer wollten das Geld. Chuck wollte Rache. Es war eine Win-win-Situation für alle– außer für Faith.
    Und für den Idioten, der in einem 1960er Corvair eingesperrt war.
    Will stöhnte auf, als er versuchte, seine Position zu verändern. Sein Rücken schmerzte. Sein Arsch fühlte sich an, als hätte er sein ganzes Gewicht zwei Stunden lang auf gehärteten Stahl gedrückt. Rückblickend betrachtet klang der Vorschlag, Will in einen Kofferraum zu stecken, eher wie eine Idee von Amanda. Schmerzhaft. Erniedrigend. Und zwangsweise mit einem schlechten Ausgang für Will. Anscheinend hatte er so etwas wie Todessehnsucht. Oder vielleicht wollte er einfach nur ein paar Stunden lang in der Hitze schmoren, weil er nur so die Zeit fand, sich zu überlegen, in was er da hineingeraten war. Und er meinte nicht das Auto.
    Will hatte noch nie eine Zigarette geraucht. Er hatte noch nie irgendeine Droge genommen. Er hasste den Geschmack von Alkohol. Als Kind hatte er gesehen, wie Sucht Leben ruinieren konnte, und als Polizist hatte er gesehen, wie die Sucht Leben beenden konnte. Er war noch nie in Versuchung gewesen, sich zu betrinken. Er hatte noch nie verstanden, wie Leute so versessen auf den nächsten Rausch sein konnten, dass sie bereit waren, dafür ihr Leben und alles, was ihnen wichtig war, aufs Spiel zu setzen. Sie stahlen. Sie prostituierten sich. Sie vernachlässigten ihre Kinder oder verließen sie. Sie mordeten. Sie würden alles tun, nur um nicht auf Entzug zu kommen, der Zustand, in dem der Körper die Droge so dringend brauchte, dass er sich gegen sich selbst wandte: Muskelkrämpfe, stechende Bauchschmerzen, extreme Kopfschmerzen, trockener Mund, Herzrasen, schweißfeuchte Handflächen.
    Wills körperliches Unbehagen war nicht allein verursacht durch den beengten Raum in Mrs. Levys Corvair.
    Er war auf Entzug nach Sara.
    Eines musste man ihm zugutehalten: Er begriff natürlich, dass seine Reaktion auf sie völlig übertrieben war und in keinem Verhältnis dazu stand, was ein normaler Mensch in einer solchen Situation empfinden würde. Er machte sich zum Narren, noch mehr, als er es bereits getan hatte. Er wusste nicht, wie er sich in ihrer Gegenwart verhalten sollte. Zumindest nicht, wenn sie keinen Sex hatten. Und sie hatten viel Sex gehabt, Sara hatte also einige Zeit gebraucht, bis sie das ganze Ausmaß von Wills erstaunlicher Dummheit sah. Und was für eine Schau er für sie abgezogen hatte. Ihr die Hand zu schütteln wie ein Immobilienmakler bei einer Hausbesichtigung. Es überraschte ihn, dass sie ihn nicht geschlagen hatte. Sogar Amanda und Faith hatten nicht gewusst, was sie sagen sollten, als sie im Flur auf den Aufzug gewartet hatten. Seine Idiotie hatte sie tatsächlich sprachlos gemacht.
    Will fragte sich allmählich, ob mit ihm körperlich irgendwas nicht stimmte. Vielleicht hatte er Diabetes wie Faith. Sie schrie ihn immer an wegen seines süßen Brötchens am Nachmittag, seines zweiten Frühstücks, seiner Vorliebe für Käse-Nachos aus dem Automaten im Erdgeschoss. Er ging seine Symptome durch. Er schwitzte heftig. Seine Gedanken rasten. Er war verwirrt. Er hatte Durst und musste wirklich ganz dringend zum Pinkeln.
    Sara schien nicht wütend gewesen zu sein, als sie sich von ihm verabschiedete. Sie hatte ihn Liebling genannt, was er zuvor nur ein einziges Mal genannt worden war, und zwar auch von ihr. Sie hatte ihn geküsst. Es war kein leidenschaftlicher Kuss– eher ein flüchtiger. Einer, wie man ihn in Filmen aus den Fünfzigern sah, kurz bevor der Ehemann den Hut aufsetzte und zur Arbeit ging. Sie hatte ihm gesagt, er solle sie später anrufen. Wollte sie wirklich, dass er sie anrief, oder wollte sie ihm nur zeigen, was Sache war? Will war es gewöhnt, dass die Frauen in seinem Leben ihm auf seine Kosten zeigten, was Sache war. Und was hieß später: Später an diesem Abend oder später am nächsten Tag? Oder im Lauf der Woche?
    Will stöhnte. Er war ein vierunddreißigjähriger Mann mit einem Job und einem Hund, um den er sich kümmern musste. Er musste sich selbst wieder unter Kontrolle bringen. Sara würde er auf keinen Fall anrufen. Nicht später an diesem Abend, nicht einmal irgendwann im Verlauf der Woche. Er war zu unkultiviert für sie. Will hatte es auf die harte

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