Harter Schnitt
Wie findest du das? Zehntausend Dollar, damit ich verschwinde.«
Faith glaubte ihm nicht.
» Ihr war nur wichtig, dich und dein verdammtes, verzogenes Baby zu beschützen.« Der Platinzahn schimmerte im Dämmerlicht. » Du hast jetzt zwei Kinder, nicht? Mommy kann ihr kleines, braunes Baby nicht behalten, aber du hast kein Problem, deines zu behalten.«
» Es ist jetzt anders«, sagte Faith. Evelyns Zustand mochte ein Geheimnis gewesen sein, aber Faith hatte genug Schande für ein ganzes Leben über die Familie gebracht. Ihr Vater hatte alte Kunden verloren. Ihr Bruder war ins Exil getrieben worden. Was hätte man mit Evelyn gemacht, wenn sie ein Kind aufgezogen hätte, das offensichtlich nicht von ihrem Ehemann stammte? Damals hatte es keine richtige Entscheidung gegeben. Faith konnte sich überhaupt nicht vorstellen, wie ihre Mutter gelitten hatte. » Du hast keine Ahnung, wie es damals war.«
» Zwei für zwei. Mom hat das Gleiche gesagt.« Er deutete auf ihre Jeanstasche. » Gehst du nicht dran?«
Ihr Handy hatte wieder zu vibrieren angefangen. » Was soll ich tun?«
» Was man in einer solchen Situation eben tut«, sagte er. » Sie wollen meine Forderungen hören.«
» Was sind deine Forderungen?«
» Geh dran, und du findest es heraus.«
Sie rieb sich am Hosenbein den Schweiß von der Hand ab und zog dann das Handy heraus. » Hallo?«
Will sagte: » Faith, dieser Kerl ist…«
» Ich weiß, wer er ist.« Sie starrte Caleb an und hoffte, dass er in ihren Augen sehen konnte, wie abgrundtief sie ihn hasste. » Er hat Forderungen.« Sie streckte Caleb das Handy hin und hoffte, er würde zu ihr kommen, um es zu nehmen.
Doch er blieb stehen, wo er war. » Ich will Milch und Plätzchen.« Er hielt inne, als würde er überlegen. » Ich will, dass meine Mom jeden Tag für mich da ist, wenn ich von der Schule nach Hause komme. Ich will, dass ich nicht jeden Tag im Morgengrauen in die Kirche geschleppt werde und meine Knie nicht wund sind vom Beten am Abend.« Seine Hand beschrieb einen Bogen zum Bücherregal. » Ich will, dass meine Mom mir Bücher über glückliche Ziegen und den Mond vorliest. Das hast du doch mit dem kleinen Jaybird gemacht, nicht?«
Er kannte sogar den Kosenamen, den sie ihrem Sohn gegeben hatte. » Nenn ihn nicht so.« Sie konnte kaum sprechen.
» Du bist mit dem kleinen Jay in den Park gegangen und nach Six Flags und Disney World und an den Strand gefahren.«
Anscheinend hatte er sich jedes Foto aus Jeremys Souvenirkiste eingeprägt. Wie lange war er in ihrem Haus gewesen? Wie viele Stunden hatte er Jeremys Sachen durchwühlt? » Hör auf, ihn so zu nennen.«
» Sonst?« Er lachte. » Sag ihnen, dass ich das alles will. Ich will, dass ihr alle mit mir nach Disney World fahrt.«
Faith’ Arm zitterte. » Was soll ich ihm sagen?«
Er schnaubte verächtlich. » Mann, im Augenblick brauche ich gar nichts. Ich habe meine Familie um mich. Meine Mom und meine große Schwester. Was soll ich denn sonst noch brauchen?« Er ging zum Bücherregal und lehnte sich dagegen. » Das Leben ist gut.«
Faith räusperte sich. Sie hielt sich das Handy wieder ans Ohr. » Er hat keine Forderungen.«
Will fragte: » Sind Sie okay?«
» Ich…«
» Lautsprecher«, sagte Caleb.
Faith schaute auf das Handy, damit sie den richtigen Knopf fand. Zu Will sagte sie: » Er kann Sie hören.«
Will zögerte. » Wie geht es Ihrer Mom. Kann sie sitzen?«
Er fragte nach Hinweisen. » Sie sitzt in Dads Sessel, aber ich mache mir Sorgen um sie.« Faith atmete tief durch. » Wenn das noch länger dauert, brauche ich vielleicht Insulin.« Caleb hatte in Faith’ Kühlschrank geschaut. Er dürfte also wissen, dass sie Diabetikerin war. » Mein Blutzucker war heute Morgen auf achtzehnhundert. Mom hat nur genug für fünfzehnhundert. Meine letzte Dosis hatte ich mittags. Ich werde die nächste spätestens um zehn Uhr brauchen.«
» Okay«, sagte er, und sie hoffte, dass er die Botschaft wirklich verstanden hatte und ihr nicht nur eine schnelle Antwort gab.
Sie sagte: » Ihr Telefon…« Ihr Gehirn arbeitete nicht schnell genug. » Rufen wir Sie auf Ihrem Telefon an, wenn wir etwas brauchen? Ihrem Handy?«
» Ja«, sagte er und hielt dann kurz inne. » Wir können das Insulin in fünf Minuten hier haben. Sagen Sie uns einfach Bescheid. Sagen Sie mir Bescheid.«
Caleb kniff die Augen zusammen. Sie redete zu viel, und weder Will noch Faith beherrschten diese codierte Unterhaltung sehr gut.
» Seien Sie vorsichtig.«
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