Haschisch - Konsum, Wirkung, Abhängigkeit, Selbsthilfe, Therapie
die Trennung. Sie und ihr Freund litten beide unter Liebeskummer. Wiederum drei Wochen später rief mich der junge Mann an und bat dringend um einen Termin. Als er kam, wirkte er wesentlich wacher als beim ersten Mal, allerdings gepeinigt von Herzschmerz in Form bohrenden Liebeskummers. In der ersten Woche nach der Trennung hatte er sich noch besinnungslos gekifft, aber dann auf den »heilsamen Schock« reagiert und seinen Cannabiskonsum drastisch heruntergefahren. Jedenfalls war er in der Lage, vernünftig zu kommunizieren. Seine Motivation, zu mir zu kommen, war weniger das Erreichen von dauerhafter Abstinenz, sondern das Rückgängigmachen der Trennung. Er suchte seine Freundin durch die Termine in der Drogenberatung wiederzugewinnen. In der Tat ging seine Rechnung zunächst sogar auf. Seine Freundin kehrte zu ihm zurück und gab ihm eine neue Chance. Sein »neues Glück« hielt so lange, bis ihn auf einer Party wieder der Teufel ritt und er massiv rückfällig wurde. Die Folge: wieder Trennung, erneuter Katzenjammer, kein Happy End.
Während einer anschließenden ambulanten Entwöhnungsbehandlung, zu welcher sich der junge Mann durchrang, kämpfte er heftig mit seinem Suchtdruck, seinen Gefühlen von Verlassenheit, seinen durch eigenes Zutun vermasselten Schulabschlüssen und Ausbildungschancen sowie mit der Anerkennung seines Teils der Verantwortung für seinen über Monate hinweg an ihm nagenden Herzschmerz. Schritt für Schritt legte er einen jungen Mann in sich frei, der die liebenswerten Züge bestätigte, die ich bereits anlässlich unseres Erstkontakts hinter seiner Kifferfassade wahrgenommen hatte. Nach der Entwöhnungsbehandlung blieb er lange abstinent, bevor er wieder begann, gemäßigt Cannabis zu konsumieren. Heute bekommt er seinen Alltag geregelt, strahlt aber »Verlassenheit« aus, wie seine ehemalige Freundin, die ihn gelegentlich trifft, findet.
Im Kern dreht es sich bei der Geschichte dieses jungen Mannes darum, dass sich chronischer Haschisch- oder Marihuanagebrauch auf Dauer nicht mit beständiger Liebe verträgt. Bekifftsein als bestimmender Lebensinhalt treibt einen Keil in jede Beziehung und trennt die Liebenden, es sei denn, beide stimmten darin überein, dass sie sich vom Leben nicht mehr erwarten. In aller Regel sind es die jungen Frauen, die sich aber sowohl von ihrem Leben im Allgemeinen wie von einer partnerschaftlichen Beziehung im Besonderen noch anderes erhoffen. Ich habe Dutzende intensiv Cannabis gebrauchende junge Männer zwischen 16 und 24 Jahren erlebt, die auf für sie schmerzhafteste Weise realisieren mussten, dass ihre Freundinnen sie nicht auf unabsehbare Zeit mit dem Suchtstoff Cannabis zu teilen gewillt waren.
Tief in seinem Inneren weiß wohl jeder Mensch, wie sich heftiger Liebeskummer anfühlt. Meine betroffenen Klienten würden regelmäßig am liebsten die Wände hochgehen und die Ritzen des Entkommens suchen, weil selbst besinnungslos kiffen nicht mehr hilft gegen ihre bohrenden Verlassenheitsgefühle.
Gewinne ich bei jugendlichen männlichen Kiffern mit einer Freundin, an der ihnen glaubhaft etwas liegt, den Eindruck, dass das Ausmaß ihres Cannabiskonsums unmittelbar beziehungsgefährdend ist, sage ich ihnen unumwunden auf den Kopf zu, was sie mit hoher Wahrscheinlichkeit ereilen wird: »Wenn du an deinem Verhalten nicht bald etwas änderst, wirst du spätestens in ein paar Monaten nicht mehr mit deiner Freundin zusammen sein!« Ich passe die Kernbotschaft dabei jeweils an mein Gegenüber an. Die jungen Männer reagieren sehr unterschiedlich: nachdenklich, betroffen, fragend, überheblich, frotzelnd, ablehnend. Verharren sie in ihrer Kifferei, ohne ihr »Liebesverhältnis« zu Cannabis einzuschränken oder zu beenden, sehe ich viele von ihnen wie vorhergesagt wieder: als kleinlautes, tief unglückliches, in sich zusammengesunkenes Häufchen Elend voller Liebeskummer. Um den Schmerz vollkommen zu machen, martern sich manche obendrein mit quälenden Selbstvorwürfen.
So schmerzhaft solche Situationen für die jungen Männer auch sind, sie stellen häufig den Startpunkt für große Umwälzungen in ihrem Leben dar. Es geht dabei niemals um Triumph, nach dem Motto: »Ich habe es dir ja vorausgesagt«, oder: »Wer nicht hören will, muss fühlen!« Eine solche Reaktion wäre menschlich völlig verfehlt. Sie würde den jungen Männern quasi den Rest geben, sie am Boden zertreten. Erst einmal bedarf es höchster Sensibilität und Feinfühligkeit, weil es in der
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