Haschisch - Konsum, Wirkung, Abhängigkeit, Selbsthilfe, Therapie
Klient lebte von »Stütze« und »schwarzen« Gelegenheitsjobs. Er hatte bereits mehrere Psychotherapien hinter sich. Alle waren sie gescheitert, weil kein Therapeut ihn jemals mit dem Kern seines süchtigen Verhaltens konfrontiert hatte. Einerseits wünschte sich der Klient von mir menschliche wie fachliche Unterstützung beim Kampf gegen seine Abhängigkeit. Andererseits war er sehr angestrengt um intellektuelle Überlegenheit bemüht. Es war mit den Händen greifbar, wie emotional ausgehungert und bedürftig er sich fühlte. Zwar war er der festen Überzeugung, dass seine Freunde ihn liebten. Nach ihnen befragt, musste er allerdings zugeben, dass niemand wirklich den Kontakt zu ihm suchte. Der Klient war überdurchschnittlich gebildet und belesen, und das ließ er die Menschen um sich herum auf eine Weise spüren, dass er sie geradezu vertrieb: »Ich bin für andere immer der Lehrer gewesen, der ihnen ihre Probleme deutete. Niemand hält es lange in meiner Nähe aus. Wenn ich mich mit Freunden treffe, gehen sie eigentlich immer wieder früh nach Hause.« Das Dozieren von einsamer Höhe herunter wirkte auch im Kontakt mit mir als trennender Störfaktor. Ich spürte deutlich wachsenden Unmut gegen die grandiosen Verleugnungstechniken des Klienten sowie seine subtilen Ansprüche an mich. Andererseits empfand ich mitfühlendes Bedauern darüber, wie wenig der Klient seit Jahrzehnten aus seinem in ihm angelegten Lebenspotenzial machte. Ich ahnte etwas von seiner eigenen tiefen Versagensscham über die ungenutzten Chancen. Was ich hinter seiner zur Schau getragenen Fassade wahrnahm, machte ihn mir sympathisch. Mein Angebot zur Zusammenarbeit verknüpfte ich trotzdem mit klaren Botschaften: Er solle sich selbst ein definitives Datum setzen, bis zu dem er mit der ihn total vereinnahmenden Kifferei aufhören würde, weil eine Therapie sonst keinen Erfolg haben könne. Ich würde mich auf keinen Fall gegen andere Therapeuten ausspielen und mich auch nicht in die Falle locken lassen, um jeden Preis zu beweisen, dass ich ein besserer Therapeut sei als meine Vorgänger. Ich sei gern bereit, ihn bei der Wiederaufnahme seines Lebensfadens zu unterstützen, würde ihm aber nicht seine zu leistende Arbeit abnehmen. Und letztlich verspür ich wenig Lust, unsere gemeinsame Zeit mit »Spielchen« nach der Devise »Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass« zu vergeuden. Ich hatte mir mein Angebot an diesen Klienten reiflich überlegt. Es war klar, dass ich ihm von vornherein den Zahn ziehen musste, ich würde für ihn die Arbeit leisten. Ein »therapeutischer Spaziergang« würde das Ganze sicherlich nicht. Ich könnte mir an den hartnäckigen Widerständen des Klienten die Zähne ausbeißen. Der Berg, den er abzutragen hätte, war gewaltig. Zur Überwindung seiner hochgradig ausgeprägten Cannabisabhängigkeit sowie zur Bearbeitung der dahinterliegenden innerpsychischen und zwischenmenschlichen Konflikte einschließlich der abgerissenen Entwicklungslinien würde er alle verbleibenden Kräfte mobilisieren müssen. Der Klient hätte einer überaus stabilen Motivation bedurft. Er willigte zwar in meine Bedingungen zum Eingehen eines Arbeitsbündnisses ein. Seine im Endeffekt nur halbherzige Motivation ließ ihn jedoch leider frühzeitig zurückscheuen und die Arbeit abbrechen.
Aus Gründen der Glaubwürdigkeit wie der Fairness gilt es festzuhalten, dass Cannabis im Zusammenspiel mit seinen Nutzern sich nicht zwangsläufig schädlich auswirken muss, sondern sogar gegenteilige Effekte zu erzielen vermag. Es ist zwar wahrscheinlicher, dass Haschisch und Marihuana bei gewohnheitsmäßigem Konsum im Zusammenwirken mit der Persönlichkeitsstruktur des Gebrauchers eher dazu beitragen, dessen seelische Reifung zu behindern. In selteneren Fällen vermögen sie jedoch umgekehrt bei ausgesucht bewusster Indienstnahme positive Entwicklungsschritte zu befördern. Für Cannabis existieren ausreichend Belege für die nicht wegzudiskutierende Tatsache, dass ein ebenso gezielter wie gemäßigter Cannabiskonsum positive und beständige Veränderungen im Selbstwertgefühl junger Menschen nach sich ziehen kann. Es gilt allerdings mit aller Sorgfalt zu präzisieren: Einen Zugewinn an Selbstwertgefühl durch begrenzte Cannabiserfahrungen finden wir vor allem bei sicher realitätsbezogenen und sozial gut eingebundenen Konsumenten, welche vor dem Hintergrund eines bereits tragfähigen inneren Gerüsts nach weiteren Lebenserfahrungen suchen. Sie testen
Weitere Kostenlose Bücher