Haschisch - Konsum, Wirkung, Abhängigkeit, Selbsthilfe, Therapie
gewachsen sind, bedürfen umgekehrt der Zeit, um heilsam verändert zu werden. Diese Zeit ist in ambulanten und stationären Behandlungen in weit höherem Maße gegeben als in standardisierten Kurzzeitprogrammen. Selbstverständlich glücken nicht alle Therapien, doch einen Versuch sollte sich jeder kiffende Mensch mit Problemen wert sein. Jede Sucht- und Drogenberatungsstelle kann mit ihm die Voraussetzungen und Formalitäten abklären, die für eine ambulante oder stationäre Entwöhnungsbehandlung erforderlich sind. Von den eigentlich zuständigen Kostenträgern wie Krankenkassen oder Rentenversicherungsträgern bezahlt werden nur Behandlungen von Abhängigkeitserkrankungen. Lautet die Diagnose bloß »Schädlicher Gebrauch«, werden die Kosten nicht übernommen; absurd, aber wahr. Das Kind muss erst vollends in den Brunnen gefallen sein, damit ihm geholfen wird. Die Behandlungsziele der Kostenträger sind Abstinenz und Arbeitsfähigkeit. Differenzierte Entwicklungsziele formulieren die Klienten individuell für ihre Person und Lebensplanung zusammen mit ihren Therapeuten oder Behandlern.
Bei ambulanten Behandlungen im Rahmen einer eigens anerkannten Beratungs- und Behandlungsstelle werden in der Regel zwischen 40 und 80 Therapiestunden beantragt. Durchschnittlich erstreckt sich eine von den Kostenträgern bewilligte Cannabisentwöhnungsbehandlung bei einer Frequenz von einer Stunde pro Woche über etwa ein Jahr. Stationäre Therapien können bis zu einigen Monaten dauern, mit fallender Tendenz zu kürzeren Behandlungszeiträumen.
Gegenläufig ist heutzutage dagegen eine Tendenz zur Ausbildung schwerer Formen von süchtiger Cannabisabhängigkeit, die ambulant nur mit wenig Aussicht auf Erfolg zu bewältigen wären. Vorgeschaltete Entgiftungen von abhängigen Kiffern, wie sie bei Konsumenten von Alkohol und härteren Drogen praktiziert werden, waren bei früheren Gebrauchern von Cannabis wenig bis gar nicht üblich. In der aktuellen Cannabisrealität sind sie dagegen verbreitet. Ein praktisches Problem im Suchthilfealltag ist es, für junge Cannabiskonsumenten die geeigneten Einrichtungen für Entgiftungen und stationäre Therapien zu finden, insbesondere bei »doppelter Betroffenheit« durch Doppeldiagnosen.
Drogen- und Suchttherapien sind wie jede Form tief reichender Psychotherapie intensive Beziehungsarbeit. Ihr Erfolg hängt von der gewählten Einrichtung, deren therapeutischem Konzept, den darin arbeitenden Menschen sowie der Kooperation der Klienten oder Patientinnen ab. Für Klienten ist es von Bedeutung, dass die Beziehungschemie stimmt. Fühlen sie sich bei einem Suchttherapeuten nicht gut aufgehoben, sollten sie weitersuchen. Gute Therapeuten und Therapeutinnen verfügen über fachliche wie menschliche Kompetenzen, denn erfolgreiche Therapien sind ein Gesamtkunstwerk aus beiden. Mit welcher Haltung sie ihren Klienten gegenübertreten, hängt von etlichen Variablen ab: der Ausrichtung ihrer fachlichen therapeutischen Ausbildung, ihrem persönlichen Selbstverständnis und Arbeitsethos, ihrem Repertoire an zusätzlichen Methodenschätzen sowie ihrem grundsätzlichen Welt- und Menschenbild. Ergibt das alles ein stimmiges, authentisches Gesamtbild und orientieren sie sich zudem vorbehaltlos an einem »positiven therapeutischen Alphabet«, wie ich es in meinem Buch »Sucht – eine Herausforderung im therapeutischen Alltag« buchstabiere, haben ihre Patienten und Klientinnen eine hohe Chance auf eine förderliche Zusammenarbeit. Mit weniger sollten sie sich nicht begnügen.
Kein exzessiv Cannabis gebrauchender oder süchtig abhängiger Konsument kann sich während einer Entwöhnungsbehandlung oder Suchttherapie um schmerzhafte, traurige, sperrige, schwer aushaltbare, aber auch schöne und freudige Gefühle herumdrücken. Eine Therapie ist unter anderem eine Wiederentdeckung von innerer Lebendigkeit. Schwer zu behandeln und aufzulösen sind in aller Regel die widerständigen Gefühle von Scham und Schuld, die keinem Drogengebraucher fremd sind. Einer meiner aktuellen Klienten blickt erleichtert zurück: »Solange ich wie besinnungslos gekifft habe, bin ich nur mit gesenktem Kopf durch die Straßen gegangen, um die Augen der Leute nicht zu sehen. Heute kann ich den Kopf endlich wieder oben tragen und den Leuten ins Gesicht sehen.« Lange Jahre hatte er sich vor allem vor sich selbst geschämt und sich wegen Verrats an der eigenen Person, wegen Diebstählen und Dealens schuldig gefühlt.
Auch Amon Barth
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