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Haschisch - Konsum, Wirkung, Abhängigkeit, Selbsthilfe, Therapie

Haschisch - Konsum, Wirkung, Abhängigkeit, Selbsthilfe, Therapie

Titel: Haschisch - Konsum, Wirkung, Abhängigkeit, Selbsthilfe, Therapie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: beltz Verlag
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Kanälchen, so fein wie Haar, zu mir, in denen ich die magnetischen Ströme pfeifen hörte. – Nach meiner Berechnung dauerte dieser Zustand ungefähr 300 Jahre, denn die Empfindungen folgten sich dermaßen zahlreich, dass eine Zeitwahrnehmung unmöglich schien … Eine dritte Phase, die letzte und zugleich bizarrste, beendigte meine orientalische Sitzung. In dieser verdoppelte sich mein Blick. Zwei Bilder jedes Gegenstandes spiegelten sich in meiner Netzhaut und erzeugten eine vollständige Symmetrie. Aber bald nachdem die magische Substanz vollständig verzehrt war und nun noch intensiver auf mich zu wirken begann, war ich für eine Stunde vollkommen von Sinnen. Alle pantagruelischen Träume durchzogen meine Fantasie: Einhörner, Greifen, Riesenvögel usw., kurz, die ganze Menagerie der Traumungeheuer trippelte, funkelte, flatterte und klapperte durch das Zimmer.«
    Solche und ähnliche Berichte zum Ruhme des Haschischs sind verständlicherweise geeignet, Mythen zu kreieren, die sich später verselbstständigen. Wer mit den Wirkungen der Droge wenig vertraut ist, wird den Berichten Glauben schenken und von Haschisch wundersame Wirkungen erwarten. Doch Gautiers Erzählungen sind mit besonderer Vorsicht zu genießen. Sie erklären sich nur vor ihrem konkreten geschichtlichen Hintergrund. Der Arzt Moreau wollte Halluzinationen erforschen, und Gautier hat sie ihm geliefert. Die Stärke der von ihm berichteten Haschischwirkungen ist auf das Essen von Dosierungen zurückzuführen, wie sie kein normaler Haschischkonsument jemals zu sich nimmt, nicht einmal heutige Bongraucher, welche sich ins Cannabiskoma beamen. Aber selbst solch außergewöhnlich große Mengen von Haschisch reichen als Erklärung für die Schilderungen Gautiers nicht aus. Das berichtete Maß der Raum- und Zeitauflösung sowie der Sinnesverschiebungen, die völlige Losgelöstheit vom Körper, die Verbundenheit mit den Elementargeistern und letztlich das Übermaß an inneren Bildern und fantastischen Visionen gehen über die mit Haschisch erreichbaren Wirkungen hinaus. Sie gehören viel eher in das Wirkungsspektrum weitaus mächtigerer Halluzinogene und Entheogene, die in die Welt der Geister, Götter und Ahnen zu führen vermögen. Gautier war hochgebildet und literarisch begabt. Beides kommt zwar der sprachlichen Gestaltung seiner Erzählungen zugute, führt aber mit zur unrealistisch überhöhten Schilderung seiner Rauscherlebnisse. Moreau persönlich macht darauf aufmerksam, welch brillanter Schriftsteller Gautier war und wie sehr seine Berichte von dessen »poetischer Imagination« geprägt seien. Gautier stilisiert seine Halluzinationen regelrecht. Dem Drang, Außergewöhnliches und Sensationelles bezeugen zu müssen, erliegt auch Gérard de Nerval, der festhält: »Das Haschisch macht gottgleich; indem der Rausch die Augen des Leibes trübt, erleuchtet er die Seele.« 1)
    1) Deutsche Übersetzungen von Gautiers Berichten bleiben nahe an dessen Erzählstil. Stellenweise überhöhen sie Gautiers »Fantasia«-Trips allerdings noch mehr. Übersetzungen des ersten Zitats finden sich im Kultbuch von Hans-Georg Behr: »Von Hanf ist die Rede«, sowie bei Robert Connell Clarke: »Haschisch«. Die zweite Textstelle ist auf Deutsch nachzulesen im »Handbuch der Rauschdrogen« von Wolfgang Schmidbauer und Jürgen vom Scheidt. Jedem der französischen Sprache mächtigen Leser empfehle ich jedoch die französischen Originaltexte: »Le Club des Hachichins« von 1846 ist als kleiner Nachdruck in der Edition »L’Esprit frappeur« erhältlich. Gautiers 1843 in »La Presse« erschienener Bericht wurde von Moreau de Tours wiederverwendet. Er ist integraler Bestandteil des ersten, historischen Teils von Moreaus 1845 in Paris erschienenem Werk: »Du hachisch et de l‘aliénation mentale« (Vom Haschisch und der Verwirrung des Geistes, H.K.). Das Buch ist 1980 als Nachdruck in der Collection »Ressources«, Paris/Genève neu aufgelegt worden.
    Ein hinreichendes Indiz dafür, dass die ekstatischen Berichte der Pariser Literaten sprachlich überhöht sowie in moderner Terminologie auch dem speziellen »Set« und »Setting« des exklusiven Clubs geschuldet waren, ist die Tatsache, dass ihre malenden Kollegen sich weit weniger enthusiastisch zeigten. Sie erfuhren keinerlei visionäre Inspirationen für ihre Kunst und zeigten sich von Haschisch enttäuscht.
    Charles Baudelaire, der ebenfalls dem Pariser »Club des Hachichins« angehörte, ging in seiner berühmten

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