Haschisch - Konsum, Wirkung, Abhängigkeit, Selbsthilfe, Therapie
lebendig geworden … Allmählich füllte sich der Salon mit ungewöhnlichen Figuren, wie man sie nur auf den Stichen Callots oder den Aquatinten Goyas findet; ein Mischmasch aus Lumpen und Fetzen, tierischen und menschlichen Gestalten. Zu jeder anderen Zeit hätte ich mich in einer solchen Gesellschaft nicht wohlgefühlt, doch jetzt lag nichts Drohendes in diesen Ungeheuern. List, nicht Bosheit blitzte aus ihren Augen. Nur bei einem gutmütigen Grinsen vermochte man die ungleichen Hauer und spitzen Zähne zu entdecken … Der etwas krampfhaften Ausgelassenheit am Anfang folgte nun ein unaussprechliches Wohlbehagen, ein Frieden ohne Ende. Ich befand mich in der glücklichsten Phase des Haschischrausches … Ich fühlte meinen Körper nicht mehr, die Fesseln der Materie und des Geistes waren gelöst; nur kraft meines Willens bewegte ich mich in ein Medium, das mir nicht den geringsten Widerstand entgegensetzte. Auf diese Weise, vermute ich, agieren Seelen in der Welt, in der wir nach dem Tode einkehren … Ich begriff, welche Freude höhere Wesen und Engel je nach dem Grade ihrer Vollkommenheit spüren, wenn sie Ätherwelten und Himmel durchstreifen, und wie sich Ewigkeit im Paradies anfühlt … Mühsam erhob ich mich und ging auf die Tür zu, welche ich erst nach geraumer Zeit erreichte, da mich eine unbekannte Macht nach jedem dritten Schritt wieder einen zurückzog. Nach meiner Schätzung mussten zehn Jahre verstrichen sein, als ich diese Entfernung zurückgelegt hatte … In der Tat fühlte ich, wie meine Glieder zu Stein erstarrten. Bis zur Körpermitte war ich zu einer Statue geworden … Nichtsdestotrotz gelangte ich zum Treppenabsatz, und ich versuchte hinunterzugehen … Als ich hinabblickte, sah ich einen Abgrund aus Stufen, Strudel von Wendeltreppen, verwirrende Spiralwindungen. Diese Treppe muss einfach bis zum Ende der Welt vorstoßen, dachte ich, während ich mechanisch weitertappte. Erst am Tage nach dem Jüngsten Gericht würde ich unten ankommen … Dann verlor ich völlig die Nerven; ich wurde wahnsinnig und fantasierte … Verzweiflung hatte mich gepackt, denn als ich mit der Hand an meinen Schädel fuhr, spürte ich, dass er offen war. Daraufhin schwand mir das Bewusstsein.«
Mit einem früheren Haschischrausch, dessen aufeinanderfolgende Phasen als Bericht am 10. Juli 1843 im Journal »La Presse« erschienen, liefert Gautier dem ärztlichen Erkenntnisinteresse Moreaus weiteren Stoff:
»Mein Körper schien sich aufzulösen und durchsichtig zu werden. Das Haschisch, das ich gegessen hatte, sah ich sehr deutlich in meiner Brust in Form eines Smaragds, der Millionen kleiner Fünkchen sprühte … Rings um mich waren ein Rieseln und Einstürzen von Steinmassen in allen Farben und in stetem Wechsel, das nur mit dem Spiel des Kaleidoskops verglichen werden kann. In manchen Augenblicken sah ich nur noch meine Kameraden, jedoch verändert, halb Mensch, halb Pflanze, mit dem nachdenklichen Aussehen eines Ibis, auf dem Fuße eines Vogels Strauß stehend, mit den Flügeln schlagend … Nach einer halben Stunde verfiel ich von neuem wieder der Wirkung des Haschischs. Dieses Mal waren die Visionen sehr viel komplizierter und ungewöhnlicher. Milliarden von Schmetterlingen, deren Flügel wie Fächer rauschten, flogen mit dauerndem Summen in einer merkwürdig erleuchteten Luft umher. Gigantische Pflanzen und Blumen mit kristallenen Kelchen, enorme Pfingstrosen, goldene und silberne Betten stiegen auf und breiteten sich rings um mich aus mit einem Knistern, das an Feuerwerk erinnerte. Mein Gehör hatte sich merkwürdig gesteigert, ich hörte das Geräusch der Farben. Grüne, blaue, gelbe Töne kamen in scharf unterschiedenen Wellen zu mir. Ein umgeworfenes Glas, ein Ächzen des Stuhles, ein leise ausgesprochenes Wort vibrierten und widerhallten in mir wie Donnergetöse … Noch nie hatte ich solches Glücksgefühl erlebt. Ich löste mich auf, war so weit entfernt von mir, meiner selbst so entledigt, dieses widerwärtigen Zeugen, der einen stets begleitet, dass ich zum ersten Mal die Existenz der Elementargeister verstand, der Engel und der vom Körper getrennten Seelen. Ich war wie ein Schwamm mitten im Meer. Jede Minute durchzogen mich Wellen von Glück, die durch meine Person ein- und ausgingen; denn ich war ja durchdringbar geworden, und bis ins Letzte hinein nahm ich die Farbe der fantastischen Umgebung auf, in die ich versetzt war. Töne, Düfte, Licht kamen durch unzählige schmale
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