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Hasenherz

Hasenherz

Titel: Hasenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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das heißt, sie nahm ihn, sie kam zu ihm und tippte ihn an –, trug eine Bluse, die ganz offenstand, bis auf den untersten Knopf, der war zu, und oben im Zimmer fragte sie ihn mit einer Stimme, die wie körniger Zucker war, ob er das Licht an oder aus haben wollte, und mit zugeschnürter Kehle antwortete er: «Aus», und da lachte sie, und einen Augenblick später lag sie unter ihm und lächelte und rückte ihn zurecht, damit er richtig liege, und sagte ganz freundlich: «Du bist in Ordnung, Kleiner. Du kriegst es schon noch hin.» Und als es vorbei war, verletzte es ihn, erkennen zu müssen, daß sie ihren Anteil nicht gemeint hatte, er merkte es an den harten Falten um ihren Mund und an der ruppigen Entschiedenheit, mit der sie es ablehnte, neben ihm lie genzubleiben; sie stand auf und setzte sich auf die Kante des Eisenbetts und sah durchs dunkle Fenster hinaus in den grünen Nachthimmel. Ihr stummer Rücken, über den ein gelbweißer Querstreifen lief, vom Biki nibüstenhalter, machte ihn wütend. Er nahm ihr Schultergelenk in die Hand und drehte sie grob zu sich herum. Er hätte es nicht tun sollen: die verschatteten Gewichte vorn an ihrem Körper hingen so schlampig und schutzlos herunter, daß er wegsehen mußte. Sie beugte sich zu ihm und sagte ihm ins Ohr: «Du hast nicht für zweimal bezahlt, Kleiner.» Süße Frau, sie war Kapital. Weich tönt das Geschepper der Autospeng lerei herauf. Das Geräusch tröstet ihn, es sagt ihm, daß er versteckt ist und in Sicherheit, und daß, während er sich versteckt, die Menschen damit beschäftigt sind, die Welt zuzunageln, und sein Herz nimmt im Dunkel die wesenlosen Laute mit einer Gebärde der Liebe auf.
    Seine Träume sind flache, heimliche Gebilde. Seine Beine verschränken sich. Seine Lippen bewegen sich gegen das Kissen. Die Haut seiner Lider erzittert, wenn seine Augäpfel sich drehen beim Kontrollgang übers innere Gesichtsfeld. Im übrigen liegt er wie tot, jenseits allen Übels. Der Sonnendolch über ihm schneidet sich allmählich die Wand herunter, schneidet durch seine Brust, wandelt sich auf dem Fußboden zu einer Münze und verlischt. In Schatten gehüllt wacht er plötzlich auf, seine geisterblauen Regenbogenhäute tasten das unbekannte Gelände nach der Quelle der vielen Männerstimmen ab. Die Stimmen kommen von unten, und ein Poltern ist zu hören, vermutlich schieben sie die Möbel auseinander, trampeln im Kreis herum, fetzen ihn. Aber da tönt ein vertrauter knolliger Baß heraus, das ist Tothero, und allmählich kristallisiert sich alles um diesen stabilen Kern: da unten spielt man Karten, säuft und zankt man, da betreibt man Geselligkeit. Rabbit rollt sich in seinem heißen Bau zusammen, dreht das Gesicht seinem kühlen Nachbarn zu, der Wand, und kreiselt durch einen roten Trichter des Bewußtwerdens wieder in Schlaf.
    «Harry! Harry!» Die Stimme rüttelt ihn an der Schulter, zaust ihn am Haar. Er rollt sich von der Wand weg, blinzelt ins verwaschene Licht. Tothero sitzt da im Schatten, ein Klotz aus Dunkelheit, erfüllt von irgendeiner angespannten Erwartung. Sein schmutzigmilchiges Ge sicht beugt sich vor, aufgeschlitzt von einem schiefen Grinsen. Whisky dunst geht von ihm aus. «Harry, ich hab ein Mädchen für dich!»
    «Ausgezeichnet, bringen Sie sie her.»
    Der Alte lacht – unbehaglich? Was will er?
    «Meinen Sie Janice?»
    «Es ist nach sechs. Steh auf, steh auf, Harry, du hast geschlafen wie ein entzückendes Baby. Wir gehn aus.»
    «Warum?» Harry wollte fragen: «Wohin?»
    «Essen, Harry, fein essen. E- S - S - E - N . Steh auf, mein Junge. Hast du denn keinen Hunger? Hunger. Hunger.» Er ist übergeschnappt. Er springt vom Bettrand auf, wirbelt ein paar Mal auf seinen behenden kleinen Füßen herum und macht dann Bewegungen, als führe er Lec kerbissen zum Mund. «O Harry, du weißt nichts vom Hunger eines alten Mannes, der ißt und ißt, und niemals ist es das richtige. Du kannst das nicht verstehen.» Er geht ans Fenster und sieht auf die Straße hinunter, und sein knorriges Profil wird bleiern im trüben Licht.
    Rabbit schlägt die Decke zurück, hebt seine nackten Beine über den Bettrand und bleibt so sitzen. Der Anblick seiner beiden Schenkel, die gerade und makellos nebeneinander liegen, bringt sein zersprengtes Gehirn wieder in Reih und Glied. Die Haare auf seinen Beinen, einst ein dünner, blonder Flaum, werden dunkel und struppig. Die Ausdünstungen seines schlafgetränkten Körpers steigen ihm in die Nase.
    «Was ist los

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