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Hasenherz

Hasenherz

Titel: Hasenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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wegbringen müssen, und ständig mußte ich das Durcheinan der wieder ausbügeln, das sie anrichtet. Ich kann’s nicht so genau sagen, aber ich kam mir so umzingelt vor von kaputtem Spielzeug und leeren Gläsern und dauernd laufendem Fernsehapparat und immer unpünktlichem Essen, und kein Ausweg aus allem. Da kam's mir ganz plötzlich, wie einfach es war, rauszukommen, wegzugehn, und verdammt noch mal, es war einfach.»
    «Für knapp zwei Tage, ja.»
    «Oh. Ich weiß schon, das Gesetz –»
    «Daran habe ich nicht so sehr gedacht. Ihre Schwiegermutter hat es unausgesetzt im Auge, aber Ihre Frau und Mr. Springer wollen davon nichts wissen. Aus verschiedenen Gründen aber, glaube ich, Ihre Frau ist wie gelähmt. Sie will überhaupt nicht, daß irgend jemand irgend etwas tut.»
    «Armes Ding. Sie ist so ein Schafskopf.»
    «Warum sind Sie hier?»
    «Weil Sie mich geschnappt haben.»
    «Ich meine, warum haben Sie vor Ihrem Haus gestanden?»
    «Ich bin zurückgekommen, weil ich saubere Sachen brauchte.»
    «Bedeuten Ihnen saubere Kleider so viel? Warum halten Sie an so einem bürgerlichen Kleinkram fest, wenn's Ihnen doch so leicht fällt, auf andern Menschen rumzutrampeln?»
    Rabbit merkt jetzt, wie gefährlich es ist zu reden. Seine Worte kommen zurück zu ihm, aber kleine Widerhaken und Fallen sind eingebaut. «Außerdem habe ich ihr den Wagen zurückgebracht.»
    «Warum? Brauchen Sie ihn nicht? Zum Entkommen?»
    «Ich hab gedacht, sie soll ihn haben. Ihr Vater hat ihn uns billig verkauft. Er hat mir auch nicht sehr genützt.»
    «Nein?» Eccles drückt seine Zigarette im Aschenbecher aus und greift in die Jackettasche nach einer neuen. Sie fahren um den Berg und haben gerade den höchsten Punkt der Straße erreicht, da, wo der Hang auf der einen Seite zu steil aufsteigt und auf der andern zu steil abfällt, als daß ein Haus oder eine Tankstelle hier Platz fände. Tief unten der Fluß. «Wenn ich meine Frau verlassen wollte», sagt Eccles, «dann würde ich mich in ein Auto setzen und nicht mehr aufhören zu fahren.» Das klingt fast wie ein Rat, so gelassen tönt es über dem weißen Kragen.
    «Das ist genau das, was ich getan habe!» schreit Rabbit, entzückt, wieviel sie beide verbindet. «Ich bin bis West Virginia gefahren. Dann hab ich gedacht, verdammt, was soll's, und bin umgekehrt.» Er muß aufhören mit dem Fluchen; er weiß gar nicht, warum er's überhaupt tut. Vielleicht, um einen Unterschied zwischen ihnen bestehen zu lassen. Er fühlt, daß er eine verhängnisvolle Neigung zu diesem Mann in Schwarz hat.
    «Darf ich fragen, warum?»
    «Oh, ich weiß nicht. Aus vielerlei Gründen. Es schien mir sicherer, in einer Gegend zu sein, die ich kenne.»
    «Sie sind nicht zurückgekommen, um Ihrer Frau zu helfen?» Rabbit ist sprachlos bei diesem Gedanken.
    Eccles fährt fort: «Sie haben von dem Wirrwarr bei sich zu Haus gesprochen. Was glauben Sie wohl, wie es bei andern jungen Ehepaaren ist? Wieso denken Sie eigentlich, Sie seien eine Ausnahme?»
    «Sie glauben wohl, ich könnte Ihnen keine Antwort darauf geben, aber ich kann. Ich hab mal Basketball gespielt. Und zwar sehr gut. Und wenn man mal erstrangig gewesen ist bei einer Sache, ganz gleich, bei welcher, dann kriegt man es nicht fertig, was Zweitrangiges zu tun. Und diese kleine Chose da, die Janice und ich laufen hatten, Mann, die war weiß Gott zweitrangig.»
    Der Zigarettenanzünder springt heraus. Eccles nimmt ihn und schaut schnell wieder auf die Straße. Sie sind mittlerweile in die Außenbezirke von Brewer gekommen. «Glauben Sie an Gott?» fragt Eccles.
    Nachdem Rabbit sich heute morgen selber in dieser Frage examiniert hat, antwortet er jetzt prompt: «Ja.»
    Eccles blinzelt überrascht. Das dichtbehaarte Lid in seinem einäugigen Profil zuckt, aber sein Gesicht rührt sich nicht. «Glauben Sie also, Gott will, daß Sie Ihrer Frau weh tun?»
    «Lassen Sie mich Ihnen eine Frage stellen. Glauben Sie, Gott will, daß ein Wasserfall ein Baum ist?» Diese Jimmy-Frage, merkt Rabbit jetzt, klingt recht lächerlich; er ärgert sich darüber, daß Eccles sie so einfach schluckt, mit einem traurigen Mundvoll Zigarettenrauch. Ihm geht auf, daß Eccles alles, was er sagt, ganz gleich, was es ist, auf die gleiche müde Weise, zusammen mit Rauch, hinunterschluckt. Es ist sein Beruf, zuzuhören. Sein großer blonder Kopf scheint vollgestopft mit einem grauen Brei aus anderer Leute kostbaren Geheimnissen und gequälten Fragen, ein Brei, dem er, jung wie er ist,

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