Hasenherz
Wohnung zurückkehren. Er be schließt, die Angelegenheit zu vergessen. Er läßt brühheißes Wasser in den Ausguß laufen und stellt die Pfanne hinein, damit sie aufweicht. Der Atem des Dampfs, wie Flüstern in einem Grabgewölbe, jagt ihm Angst ein.
Hastig nimmt er saubere Unterhosen und -hemden und Socken aus einer Schublade, drei Oberhemden in Zellophan und blauer Pappe aus einer zweiten, ein Paar gewaschene Popelinehosen aus einer dritten, rafft seine beiden Anzüge und ein Sporthemd aus dem Schrank und wickelt dann die kleineren Sachen in die Anzüge, um ein Bündel zu bekommen, das er bequem tragen kann. Er kommt ins Schwitzen. Er klemmt das Bündel zwischen seine beiden Arme und einen hochgeho benen Schenkel und überblickt noch einmal die Wohnung, und alle Möbel und Teppiche und Tapeten sind mit Düsternis glasiert, genau wie sein Gesicht. Die Zimmer atmen das Aroma eines üblen Geschäfts; er ist froh, sich jetzt davonmachen zu können. Unwiderruflich schnappt die Tür hinter ihm ins Schloß. Sein Schlüssel ist in der Woh nung. Zahnbürste. Rasierapparat. Manschettenknöpfe. Schuhe. Auf jeder Treppenstufe fällt ihm etwas ein, das er vergessen hat. Er beeilt sich, seine Sohlen klappern. Er springt. Er stößt fast mit dem Kopf gegen die nackte Glühbirne, die an einer schwarzen Schnur im Vestibül hängt. Sein Name am Briefkasten scheint ihm zuzurufen, als er vorbeihastet; die blauen Tintenbuchstaben brennen wie ein Schrei in der Luft. Er kommt sich lächerlich vor, als er in den Sonnenschein hinausstürzt wie einer von diesen sonderbaren Dieben, über die man auf der letzten Seite in der Zeitung liest und die, statt Geld oder Silber zu stehlen, ein porzellanenes Waschbecken mitnehmen, zwanzig Tapetenrollen oder ein Bündel alter Kleider. «Guten Tag, Mr. Angstrom.»
Eine Nachbarin kommt vorbei, Miss Arndt, sie hat einen lavendel blauen Kirchgangshut auf dem Kopf und hält einen Palmwedel in der geballten Faust. «Oh, hallo! Wie geht's?» Sie wohnt drei Häuser weiter; Rabbit und Janice glauben, daß sie Krebs hat.
«Mir geht's großartig», sagt sie. «Einfach großartig.» Und sie steht da im Sonnenschein, ganz bestürzt von soviel Wohlergehen, plattfüßig, unwillkürlich sich gegen die Abwärtsneigung der Straße stemmend. Ein grünes Auto fährt auffallend langsam vorbei. Miss Arndt blockiert Rabbit den Weg, ist in einer freundlichen Verwirrung, voller Dankbar keit für Gott weiß was, und ihre Haftung am Straßenpflaster ist ähnlich wie die einer Fliege am Zimmerplafond, die stehenbleibt, um über das Wunder ihres Daseins zu staunen. «Was sagen Sie denn zum Wetter?» fragt er.
«Ich finde es herrlich, einfach herrlich. Palmsonntag ist immer blauer Himmel. Er läßt mir neuen Saft in den Beinen hochsteigen.» Sie lacht, und er tut es ihr nach; sie steht wie festgewachsen auf dem heißen Zement, zwischen den fedrigen Schatten zweier Ahornbäume. Sie weiß nichts, er wird allmählich sicherer.
«Ja», sagt er, denn ihre Augen saugen sich an seinen beladenen Armen fest, «muß wohl auch mal an eine Frühjahrsreinigung denken.»
Er hebt das Bündel ein wenig an, um draufhin zu deuten.
«Allerhand», schnarrt sie überraschend ironisch, «ihr jungen Ehe männer seid wirklich sehr selbständig.» Dann dreht sie sich um und ruft: «Aber da sitzt ja ein Pfarrer drin!»
Das grüne Auto ist zurückgekommen, mitten auf der Straße, in noch langsamerem Tempo. Mit einem Schrecken, der das Kleiderbündel seinen Armen doppelt schwer scheinen läßt, sieht Rabbit, daß er jetzt in der Falle sitzt. Er stolpert von der Haustreppe herunter, macht einen langen Schritt an Miss Arndt vorbei, und kaum ist es ihr nachdenklich von den Lippen gekommen: «Das ist aber nicht Reverend Kruppen bach», sagt er hastig: «Ich muß mich beeilen.»
Nein, natürlich ist es nicht Kruppenbach. Rabbit weiß, wer es ist, aber er kennt den Namen nicht. Ein Episkopale. Die Springers sind episkopalisch, aber nur, weil der alte Gauner so hochgekommen ist. Normalerweise ist man hier lutherisch oder reformiert, wenn man überhaupt etwas ist. Er rennt nicht eigentlich; das abschüssige Straßen pflaster hängt sich an seine Fersen bei jedem Schritt, er kann’s nicht sehen über das Bündel hinweg, das er trägt. Wenn er nur diese eine Straße schaffen würde! Seine einzige Hoffnung ist, daß der Pfarrer nicht mit Gewißheit weiß, daß er es ist. Er fühlt, wie der grüne Wagen hinter ihm immer näher kriecht. Er überlegt, ob er
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