Hasenherz
keinerlei unterschei dende Farbwerte abgewinnen kann. Zum erstenmal mag Rabbit ihn nicht.
«Nein», sagt Eccles nach einigem Nachdenken. «Aber ich glaube, er will, daß ein kleiner Baum ein großer Baum wird.»
«Wenn Sie damit sagen wollen, daß ich nicht reif bin, dann beküm mert mich das nicht weiter, denn soweit ich das beurteilen kann, bedeutet Reif sein dasselbe wie Totsein.»
«Ich bin selber unreif», bietet Eccles ihm an.
Das Angebot ist nicht groß genug. Rabbit sagt ihm jetzt die Meinung. «Hören Sie, ich werde nicht zurückgehn zu dieser kleinen Idiotin, wie leid sie Ihnen auch tut. Ich weiß nicht, wie ihr zumute ist. Ich hab's nie gewußt. Alles, was ich weiß, ist wie mir zumute ist. Mehr Handhaben hab ich nicht. Wissen Sie, was ich gemacht habe, um diesen kleinen Familienhaufen am Leben zu halten? Ich habe in miesen Kaufhäusern ein Blechdings vorgeführt, das Zauberschäler heißt!» Eccles sieht ihn an und lacht, seine Augenbrauen rucken wieder erstaunt in die Höhe. «Na also, das erklärt wenigstens Ihre rhetorischen Gaben», sagt er.
Dieser hochmütige Spott läßt sich hören; er stellt sie beide an ihren Platz zurück. Rabbit hat wieder Boden unter den Füßen. «He, würden Sie mich bitte hier rauslassen», sagt er. Sie haben die Weiser Street erreicht, fahren auf die große Sonnenblume zu, die tot ist, jetzt am Tage.
«Kann ich Sie nicht da absetzen, wo Sie untergekommen sind?»
«Ich bin nirgendwo untergekommen.»
«Wie Sie wollen.» Jungenhaft unwirsch fährt Eccles an den Kantstein und hält vor einem Hydranten. Er bremst scharf, und irgend etwas klappert in seinem Kofferraum.
«Bei Ihnen stimmt was nicht», warnt Rabbit.
«Das sind nur meine Golfschläger.»
«Sie spielen Golf?»
«Schlecht. Sie?» Er scheint interessiert; die Zigarette glimmt unbeachtet zwischen seinen Fingern.
«Ich war mal Balljunge.»
«Darf ich Sie zu einem Spiel einladen?» Aha. Daher weht der Wind.
Rabbit steigt aus, steht am Kantstein und macht ein paar Tanzschrit te, ganz übermütig vor Freiheit. «Ich habe keine Schläger.»
«Die kann man sich mühelos leihen. Bitte. Ich meine es ernst.» Eccles muß sich weit über den andern Sitz beugen, um durch die offene Tür zu sprechen. «Es ist schwer für mich, Partner zu finden. Außer mir arbei ten alle.» Er lacht.
Rabbit weiß, daß er lieber rennen sollte, aber der Gedanke, spielen zu können, und die Erwägung, daß es am sichersten ist, den Gegner im Auge zu behalten, läßt ihn zögern.
Eccles drängt ihn. «Ich habe Angst, Sie fangen wieder an, Zauber schäler vorzuführen, wenn ich Sie mir nicht gleich schnappe. Dienstag? Dienstag um zwei? Soll ich Sie abholen?»
«Nein, ich komme zu Ihrem Haus.»
«Ehrenwort?»
«Ja, aber verlassen Sie sich nicht auf mein Ehrenwort.»
«Das muß ich aber.» Eccles nennt ihm eine Adresse in Mt. Judge, und sie verabschieden sich am Kantstein. Ein alter Schutzmann geht weisen Blicks über das Trottoir, an den geschlossenen, sonntagsstarren Läden vorbei. Seinen Augen muß es scheinen, als verabschiede sich ein Pfarrer von seinem Jugendgruppenleiter. Harry grinst den Schutzmann an und geht davon, und in ihm singt es. Ulkig, die Welt kann einen im Grunde gar nicht berühren.
Ruth macht ihm die Tür auf, einen Taschenkrimi in der Hand. Ihre Augen sehen schläfrig aus vom Lesen. Sie hat einen andern Pullover angezogen. Ihr Haar wirkt dunkler. Er läßt das Kleiderbündel auf ihr Bett fallen. «Hast du ein paar Bügel?»
«Sag mal, du glaubst wohl, du hast es jetzt geschafft.»
«Ich habe dich geschafft», sagt er. «Ich habe dich geschafft und die Sonne und die Sterne.» Und er nimmt sie in die Arme und drückt sie, wie zum Beweis. Sie ist lauwarm und handsam in seiner Umarmung, nicht entgegenkommend, aber auch nicht nicht entgegenkommend. Ein pelziger Seifengeruch steigt ihm in die Nase, und sein Kinn wird feucht. Sie hat sich das Haar gewaschen. In dunklen, straffen, gleichmäßig gestriegelten Strähnen zieht es sich von ihrer Stirn nach hinten. Sie ist so sauber. Er drückt seine Nase gegen ihren Kopf und atmet den spröden, harten Geruch ein. Er stellt sie sich nackt vor unter der Brause, mit hängendem, schaumtropfendem Haar, den Nacken gebeugt unter dem niederrauschenden Wasser. «Ich habe dich zum Blühen gebracht», sagt er.
«Ja, ja, du bist großartig», erwidert sie und stößt sich von seiner Brust ab. Er hängt säuberlich seine Anzüge auf, und sie fragt: «Hast du das Auto nun deiner
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