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Hasenherz

Hasenherz

Titel: Hasenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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ich, und daher nahm ich mir das Recht ihn zu necken. Ich weiß nicht mehr, wieviel jünger er war. Warum stehn wir hier eigentlich? So ein alter Körper wie meiner, der steht gern irgendwo still, als ob er Wurzeln schlagen wollte.» Sie stößt den Stock ins Gras, das Zeichen für Rabbit, seinen Arm wieder hinzu halten. Und weiter gehen sie, die blühende Allee entlang. «Ich hätte nie gedacht, daß ich ihn überleben würde. Aber er war schon immer so schwächlich. Wenn er aus dem Garten zurückkam, dann setzte er sich hin und stand nicht wieder auf. Eine Farmerstochter wird nie begreifen, wie man immer sitzen kann.»
    Ihre unsichere Hand auf seinem Arm bebt wie die Wipfel der hohen Tannen. Bei diesen Bäumen muß er immer an Grundstücke denken, die man nicht betreten darf. Es macht ihm Spaß, hier in ihrem Schutz zu sein. «Ah, hier kommt endlich mal eine richtige Pflanze!» Sie bleiben an einer Wegbiegung stehen, und die alte Dame zeigt mit dem baumelnden Stock auf einen kleinen Rhododendronstrauch, der einen rosa Mantel von bestürzender Reinheit trägt; eine Farbe, durch deren unverfälschte Einfachheit man wie durch buntes Fensterglas auf den metaphysischen Grund der Wirklichkeit sehen kann. «Harrys Bianchi», sagt Mrs. Smith. «Der einzige Rhododendronstrauch – außer ein paar von den weißen, ich vergesse immer ihre Namen, sie sind jedenfalls töricht –, der sagt, was er meint. Das einzige richtige Rosa, das es hier gibt. Als Harry ihn gekauft hatte, setzte er ihn zwischen die andern sogenannten rosa Büsche, aber dieser hier machte so deutlich, wie schmutzigfarben die andern waren, daß Harry sie alle ausriß und dem Bianchi-Strauch lauter leuchtendrote zur Gesellschaft gab. Die Roten sind vorbei, nicht? Haben wir schon Juni?» Ihre wilden Augen heften sich starr auf ihn, und ihre Hand umklammert fester seinen Arm.
    «Ich weiß nicht. Ich glaube nicht. Nächsten Samstag ist Memorial Day.»
    «Oh, ich kann mich noch ganz genau an den Tag erinnern, an dem wir diesen dummen Strauch bekamen. Heiß war's! Wir fuhren nach New York und holten ihn vom Schiff und verstauten ihn hinten im Packard – ganz vorsichtig, wie eine Lieblingstante oder so was. Er kam in einem großen blauen, mit Erde gefüllten Bottich an. Es gab nur in England eine Baumschule, die diesen Stock züchtete, und der Trans port zu Schiff hat zweihundert Dollar gekostet. Jeden Tag mußte einer in den Laderaum runter und den Stock begießen. Es war so heiß, und dieser abscheuliche Verkehr in Jersey City und Trenton, und dann dieser spillerige Busch, der auf dem hinteren Sitz in seinem blauen Bottich saß wie ein Prinz! Damals gab's die vielen Straßenzollstellen noch nicht, und so waren's gute sechs Stunden Fahrt bis New York. Mitten in der Depression, und man meinte, jeder Mensch auf der Welt besitze ein Automobil. Man überquerte den Delaware bei Burlington. Das war noch vor dem Krieg. Ich glaube nicht, daß Sie wissen, welchen Krieg ich meine, wenn ich sage. Wahrscheinlich denken Sie dann an diese Koreageschichte.»
    «Nein, ich verstehe unter Krieg den Zweiten Weltkrieg.»
    «Ich nämlich auch! Ich nämlich auch! Können Sie sich wirklich noch daran erinnern?»
    «Natürlich. Ich war doch schon ganz groß damals. Ich hab Blechdo sen glattgewalzt und Kriegssondermarken gesammelt, und wir bekamen Prämien dafür in der Schule.»
    «Unser Sohn ist gefallen.»
    «Oh, das tut mir leid.»
    «Er war schon alt, er war alt. Er war fast vierzig. Sie haben ihn gleich zum Offizier ernannt.»
    «Aber –»
    «Ich weiß. Man denkt, daß nur junge Männer fallen.»
    «Ja, das denkt man.»
    «Es war ein guter Krieg. Er war nicht wie der erste. Wir mußten ihn gewinnen, und wir haben ihn gewonnen. Kriege sind etwas Hassens- wertes, aber bei diesem war es befriedigend zu gewinnen.» Sie zeigt mit ihrem Stock wieder auf den rosa Strauch. «Als wir ihn vom Schiff abholten, hat er natürlich nicht geblüht, weil es schon so spät im Sommer war, und mir kam es ganz närrisch vor, ihn da hinten im Auto thronen zu haben wie einen» – sie merkt, daß sie sich wiederholt, stockt, spricht dann aber doch weiter – «wie einen Prinzen.» In ihren fast durchsichtigen blauen Augen liegt eine kleine Schärfe, als sie Rab bits Gesicht beobachtet, ob er nicht lächeln wird über ihre Verwirrung. Er tut's nicht, und sie schnappt grob: «Er ist der einzige.»
    «Der einzige Bianchi?»
    «Jawohl! Es gibt keinen zweiten in den Vereinigten Staaten. Dies Rosa gibt

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