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Hasenherz

Hasenherz

Titel: Hasenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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sind vom gleichen Schlag. Sie haben diese Knappheit gemein, diese Messerschärfe, die so sehr verletzen kann, wie Eccles weiß, seit er die offenen Wunden unter Mrs. Angstroms Brillengläsern gesehen hat. Diese Knappheit und die manipulierte Gewöhnlichkeit, dies beides verletzt Eccles. Ihnen wird nie etwas zustoßen. Sie wissen, was sie tun. Es ist eine Schwäche von ihm, daß er Menschen vorzieht, die nicht wissen, was sie tun. Die Hilflosen und die Menschen ganz oben, jenseits aller Hilfe. Bei denen, die sich mehr oder minder geschickt in der Mitte durchlavieren, kommt es seinen feudalistischen Instinkten immer so vor, als stählen sie von beiden Seiten. Als sie an der Haustür angekommen sind, legt Angstrom den Arm um seine Tochter, und Eccles denkt an die Frau, die still in der Küche steht und nasse Wangen und rote Arme hat.
    Es ist nur ein kurzes Aufleuchten, eine Impression. Draußen auf der Straße, als er sich zurückwendet, um den beiden im Hauseingang zuzuwinken, freut er sich über das hübsche Bild, das sie abgeben, und lacht über ihre widerspruchsvolle Symmetrie: der Araberjunge mit den Ohrringen und ihre unschuldige Verachtung für seinen, Eccles’, geistli chen Kragen, und das welkgesichtige alte Weib von einem Drucker: diese beiden, schmal und aneinandergeschmiegt.
    Durstig und verärgert steigt er in den Wagen. Irgend etwas Angeneh mes wurde gesagt in der letzten halben Stunde, aber er kommt nicht drauf. Er fühlt sich zerschunden, ist erhitzt und verwirrt und ausgedörrt. Er hat einen Nachmittag in einem Dornengehege verbracht. Er hat ein halbes Dutzend Menschen gesehen und einen Hund, und kein mal hat er sich in seiner Ansicht bestätigt gefunden, daß Harry Angstrom es wert ist, gerettet zu werden, und auch gerettet werden kann. Statt dessen kommt es ihm allmählich so vor, als gebe es da unten zwischen den Dornenranken überhaupt keinen Harry Angstrom, als gebe es dort nichts als schale Ausdünstungen und die toten Halme aus dem vergangenen Jahr. Mrs. Angstroms Eiswasser hat ihn durstiger gemacht, als er vorher war; sein Gaumen ist wie mit Spinnweben verkrustet. Der Tag neigt sich durch den weißen Nachmittag in einen langen blauen Frühlingsabend hinüber. Eccles biegt um eine Ecke, und irgendwer übt auf der Trompete hinter einem offenen, hochgelegenen Fenster. Dududododadadi. Dididadadododu. Autos wispern heim wärts. Er fährt quer durch die Stadt, manövriert sich durch diagonal führende Straßen in eine mit dem fernen Grat des Bergs parallel verlaufende Richtung. Fritz Kruppenbach, der lutherische Seelsorger von Mt. Judge seit nunmehr siebenundzwanzig Jahren, wohnt in einem hohen Backsteinhaus nicht weit vom Friedhof. Das Motorrad, das seinem im College-Alter stehenden Sprößling gehört, liegt, teilweise auseinander genommen, am Rand der Garagenauffahrt. Der abfallende Rasen, der in unebene Terrassen gestuft ist, hat diese unnatürliche chartreusefar-bene Glätte, die von zu vielem Düngen kommt, von zu vielem Un krautjäten und zu vielem Mähen. Mrs. Kruppenbach – wird Lucy je ein so gehorsames Grübchengesicht haben? – kommt an die Tür; sie trägt ein graues Kleid, das keinerlei Konzessionen an die Jahreszeit macht. Das graue Haar liegt ihr in ungeheuer kompakten Flechten um den Kopf. Wenn sie all dies Haar herunterläßt, muß sie wie eine Hexe aussehen. «Er ist draußen und mäht», sagt sie.
    «Ich hätte ihn gern gesprochen, es dauert nur ein paar Minuten. Es handelt sich um eine Angelegenheit, in die Gemeindemitglieder von ihm und von mir verwickelt sind.»
    «Gehn Sie in sein Zimmer rauf, das ist das beste. Ich hol ihn.» Das ganze Haus – Vorraum, Korridore, Treppe, sogar Kruppen bachs lederiger Schlupfwinkel oben – ist in den Duft nach gebratenem Fleisch getränkt. Als würde dieser Geruch tagtäglich, wenn das Haus gesäubert wird, mit einem feuchten Lappen in die Holzfußböden ein gerieben. Eccles setzt sich ans Fenster in Kruppenbachs Arbeitszim mer, auf einen eichenrückigen Chorstuhl, der bei irgendeiner Renovie rung übriggeblieben ist. Und als er da so auf dem Bänkchen kauert, spürt er einen jugendlichen Drang zu beten, aber er sieht dann doch lieber ins Tal hinaus, zu den blaßgrünen Ausschnitten des Golfplatzes, wo er jetzt gern wäre, zusammen mit Harry. Er hat ein bißchen gelogen vorhin bei Mrs. Angstrom. Harry spielt nicht besser als er. Er hat anscheinend Mühe, den Schläger einen Teil seines Körpers werden zu lassen, und irgendwie ist er ganz

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