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Hasenherz

Hasenherz

Titel: Hasenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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verkrampft vor Angst, daß dieser Eisenstock ihn verraten könnte. Harrys abwechselnd gute und greuli che Schläge und seine, Eccles’, beständige Mittelmäßigkeit stellen eine ungefähre Gleichheit zwischen ihnen beiden her, und so ist der Aus gang eines Spiels jedesmal ungewiß. Eccles hat bisher immer nur Partner gehabt, die entweder besser waren als er oder schlechter; nur Harry ist beides, nur Harry gibt dem Spiel eine verzweifelte Heiterkeit, als seien sie beide von einem wohlwollenden, aber exzentrischen Herrn zu einer undurchführbaren, erschreckenden, ziellosen Suche verurteilt, bei der ihnen nur Erniedrigungen widerfahren, die brennen und Tränen herauspressen, und die ihnen bei jedem Abschlag, bei jedem grünen Grastümpel von neuem aufgetragen wird. Und für Eccles kommt noch die Hoffnung hinzu und die heimliche Entschlossenheit, Harry einen Denkzettel zu geben. Er fühlt, daß das, was Harry so unstet macht, was ihn außerstande setzt, seinen herrlichen, mühelosen Schlag jedesmal anzuwenden, ursächlich mit all den Problemen zusammenhängt, die er geschaffen hat; und daß, wenn er, Eccles, ihn einmal entscheidend schlägt, er Harry in die Hand bekommt und Herr wird über dessen Schlappheit, diesen Makel an ihm, und damit alle Probleme löst. Bis dahin genießt er das Vergnügen, Harry laut «Ja, ja!» rufen zu hören oder «Das war aber einer!» Zuzeiten stellt diese Beziehung für Eccles ein solches Maß an Vergnügen her, eine so ungeheure, harmlose Eksta se, daß die Welt um ihn her mit ihrer endlosen Kausalität in die Ferne rückt und nur noch rund und grün ist.
    Das Haus erbebt unter des Hausherrn Schritt. Von allen Geistlichen in der Stadt kann er Kruppenbach am wenigsten leiden. Er ist unbeug sam in allen konfessionellen Belangen und tyrannisch in seinen Manie ren. Eccles liebt Pfarreien, er ist aufgewachsen in einem Pfarrhaus. Aber in diesem hier west Humorlosigkeit und der Hochmut des Gerechten all das, was die Menschen sich, sehr zu unrecht sonst, unter einer Pfarrhaus-Atmosphäre vorstellen. Aber Kruppenbachs Sohn scheint das nicht so zu empfinden, das Motorrad ist der Beweis.
    Der Pastor kommt die Treppe herauf in sein Arbeitszimmer, verdrossen, daß man ihn vom Rasenmäher weggeholt hat. Er trägt alte schwarze Hosen und ein schweißgetränktes Unterhemd. Seine Schul tern sind mit einem drahtharten grauen Haargewöll bedeckt, und schwarz gesprenkelt quillt es ihm wie ein struppiger Wald aus dem U-förmigen Hemdausschnitt am Rücken hervor und wuchert auch vorn über seine nasse rote Brust.
    «Hallo, Tschäck», sagt er in Kanzellautstärke, ohne daß es nach einer Begrüßung klänge. Sein deutscher Akzent macht die Worte schwer wie Steine und schichtet sie wuchtig aufeinander. «Was gibt es?»
    Eccles wagt nicht, «Fritz» zu sagen zu dem Älteren; er lacht und ruft: «Hallo!»
    Kruppenbach schneidet eine Grimasse. Er hat einen mächtigen, klot zigen Kopf und Bürstenhaar. Er ist wie aus Ziegeln gebaut. Als sei er buchstäblich aus Lehm gemacht und im Lauf der Jahrzehnte, in denen er schutzlos Wind und Wetter preisgegeben war, zur Farbe und Härte von Ziegeln gebrannt. «Was gibt es?» wiederholt er.
    «Sie haben eine Familie namens Angstrom.»
    «Ja.»
    «Der Vater ist Drucker.»
    «Ja.»
    «Der Sohn, Harry, hat vor mehr als zwei Monaten seine Frau verlas sen. Ihre Familie, die Springers, gehört zu meiner Gemeinde.»
    «Ja, richtig. Der Junge. Der Junge ist ein Schussel.»
    Eccles weiß nicht recht, was das heißt. Er nimmt an, daß Kruppen bach sich nicht hinsetzt, weil er seine Möbel nicht mit seinem Schweiß beschmutzen will. Er bleibt also stehen, und Eccles wird dadurch in die Situation eines Bittstellers gebracht, so, wie er dasitzt auf dem Armsün derbänkchen. Der Geruch nach gebratenem Fleisch wird immer inten siver, indes Eccles zu erklären sucht, wie sich seiner Meinung nach alles zugetragen hat: daß Harry in gewisser Weise verdorben worden sei durch seine sportlichen Erfolge, daß seine Frau sicherlich auch nicht ganz unschuldig sei, vielleicht nicht genügend Gestaltungskraft in der Ehe aufgebracht habe, daß er, Eccles, in seiner Eigenschaft als Pfarrer versucht habe, das Gewissen des Jungen zu wecken und auf die Frau zu lenken, ohne ihn jedoch zu einer übereilten Wiedervereinigung zu drängen – denn die Crux mit dem Jungen sei beileibe nicht, daß er zu wenig Gefühl besitze, sondern daß er zu viel davon habe, ja, daß er geradezu in einem unübersehbaren

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