Hasenherz
Eccles nieder und sagt: «Wollen Sie hinknien mit mir und beten, daß Christus in dies Zimmer treten möge?»
«Nein, nein, das will ich nicht. Ich bin zu wütend. Es wäre die reine Heuchelei.»
Diese Weigerung – unvorstellbar, wenn sie von einem Laien gekommen wäre – macht Kruppenbach nicht weicher, aber doch stiller. «Heuchelei», sagt er milde. «Sie haben nicht den nötigen Ernst. Glauben Sie nicht an die Verdammnis? Wußten Sie nicht, als Sie diesen Kragen umlegten, was Sie riskierten?» Seine Augen wirken in dem Ziegelge sicht wie Fehler, rosa und mit Wasser lasiert, als schmorten sie in einer starken Hitze.
Ohne eine Antwort von Jack abzuwarten, dreht er sich um und geht die Treppe hinunter an den Abendbrottisch. Jack folgt ihm auf dem Fuße, geht aber zur Haustür hinaus. Das Herz schlägt ihm so heftig wie einem erschreckten Kind, und seine Knie sind weich vor Zorn. Er ist hergekommen, um sich ein paar Aufschlüsse zu holen, und statt dessen hat der andere eine hektische Tirade auf ihn losgelassen. Dieser ölige alte salbadernde Hunne ist nicht der Auffassung, daß das geistliche Amt ein Vermächtnis des Lichts ist; wahrscheinlich ist er überhaupt direkt von der Schlachterbank weg auf die Kanzel gestiegen. Jack weiß, daß solche Gedanken gehässig sind und seiner nicht würdig, aber er kann sie nicht vertreiben. Seine Niedergeschlagenheit ist so groß, daß er sie noch nährt, indem er sich einredet: , er will, daß ihm Tränen kommen und er sich ausheulen kann am schönen runden grünen Lenkrad des Buick. Aber er kann nicht weinen; er ist innen so trocken wie Pergament. Scham und das Gefühl, versagt zu haben, hängen in ihm wie schwere, aber fruchtlose Äste nieder.
Obwohl er weiß, daß Lucy ihn erwartet – wenn das Essen noch nicht fertig ist, käme er jetzt gerade rechtzeitig, um die Kinder zu baden –, fährt er zum Drugstore mitten in der Stadt. Das Mädchen mit dem Pudelhaarschnitt hinter der Theke gehört zu seiner Jugendgruppe, und noch zwei andere Gemeindemitglieder sind da, die irgendeine Medizin kaufen wollen oder ein empfängnisverhütendes Mittel oder Kleenextü cher, und sie begrüßen ihn stürmisch. Er fühlt sich zu Hause an solchen öffentlichen Stätten. Er stützt die Arme auf die kalte, saubere Marmorplatte und bestellt sich eine Vanilleeiscreme-Soda mit einem Bällchen Walnußeis, und in der Zwischenzeit, bis das Gewünschte kommt, trinkt er zwei Coca-Cola-Gläser voll köstlichen klaren Wassers.
Die Kastagnetten-Bar hat ihren Namen im Krieg bekommen, als der Südamerika-Fimmel hohe Wellen schlug. Sie ist in einem dreieckigen Gebäude untergebracht, da, wo die Warren Avenue in spitzem Winkel auf die Running Horse Street stößt, im südlichen Teil von Brewer, im Viertel der Italiener, Neger und Polen. Rabbit mag dies Etablissement nicht. Mit seinen Fenstern aus Glasbaustein, die ihm aus dem Gesicht blecken, sieht es wie eine Festung des Todes aus. Das Interieur ist trüb beleuchtet und konventionell und wirkt wie der Empfangsraum in einem modernen Beerdigungsinstitut: überall stehen grüne Topfpflanzen herum, beschwichtigende Musik säuselt, es riecht nach muffigen Teppichen und Jalousieleisten und – das ist der kennzeichnendste Geruch – nach Alkohol. Erst trinken wir ihn, und dann werden wir damit einbalsamiert. Seit ein Mann, der ganz in der Nähe der Ang stroms in der Jackson Road gewohnt hat, seinen Posten als Beerdigungsunternehmer-Assistent verlor und Barkeeper wurde, besteht für Rabbit ein Zusammenhang zwischen diesen Berufen. Bei beiden spre chen die Männer sehr leise, sehen sehr gepflegt aus und präsentieren sich immer stehend. Er sitzt mit Ruth in einer Nische nahe der Tür, und durchs Fenster fällt ein leises Wehen roten Lichts ein, wenn die Neon- Kastagnette auf dem Schild draußen hin und her flackert zwischen ihren beiden Positionen, die das Klappern darstellen sollen.
In diesem rosa zitternden Schleier hängt Ruths Gesicht. Sie sitzt Rabbit gegenüber. Er versucht, sich das Leben vorzustellen, das sie geführt hat. Vermutlich fühlt sie sich in einem so scheußlichen Lokal wie diesem hier ebenso zu Haus wie er im Ankleideraum einer Sport halle. Aber allein schon dieser Gedanke macht ihn nervös. Er wollte vergessen, was hinter ihnen liegt: Ruths liederliches Leben und seine Familie. Er war glücklich, wenn er nachts bei ihr war, oder wenn sie ihre Kriminalromane las, oder wenn er hinunterging ins
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