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Hasenherz

Hasenherz

Titel: Hasenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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von dem Mädchen gesehn.»
    «Was geht mich ihr Gesicht an? Du redest von Huren: sie werden für mich noch lange keine schneeweißen Heiligen, wenn sie einen Ehe schein in der Tasche tragen. Diese Person hatte es auf Harry abgesehn, und sie hat ihn sich geangelt mit dem einzigen Trick, den sie beherrsch te, und jetzt sitzt sie da mit ihrer Kunst.»
    «Du sollst nicht so reden, Mary. Das ist dummes Geschwätz. Nimm an, ich hätte mich so verhalten wie Harry jetzt.»
    «Ah!» macht sie und dreht sich um, und Eccles weicht zurück, als er ihr Gesicht sieht, das straff gespannt ist, gerüstet, ein ganz spezielles Geschoß abzufeuern. «Ich hab dich nicht gewollt. Du wolltest mich. War es nicht so?»
    «Ja, natürlich, so war es», murmelt Angstrom.
    «Also. Dein Vergleich stimmt nicht.»
    Angstrom hat die Schultern tief über den Kaffee gebeugt, ist in sich zusammengeschrumpft. Als habe sie ihn mit dem, was sie gesagt hat, in eine winzige Form gepreßt. «O Mary», seufzt er und wagt nichts mehr zu sagen.
    Eccles versucht, ihm zu Hilfe zu kommen. Nahezu automatisch stellt er sich bei einer Auseinandersetzung immer auf die schwächere Seite. «Ich glaube nicht, daß Sie da recht haben», wendet er sich an Mrs. Angstrom. «Janice ist sicher der Meinung gewesen, daß bei ihrer Ehe eine gegenseitige Neigung bestanden hat. Wenn sie wirklich so durch trieben wäre, dann hätte sie Harry nicht so ohne weiteres davons chwimmen lassen.»
    Mrs. Angstroms Interesse an dieser Unterhaltung ist jetzt, da sie merkt, daß sie ihrem Mann zu heftig zugesetzt hat, abgeflaut. Sie beharrt so angestrengt auf ihrem Standpunkt, Janice könne sich durchaus allein helfen, daß es einem Eingeständnis ihrer Niederlage gleichkommt. «Sie hat ihn nicht davonschwimmen lassen», sagt sie. «Sie schnappt ihn sich schon wieder, warten Sie ab.»
    Eccles wendet sich ihrem Mann zu. Wenn er dieser Meinung bei pflichtet, sind sie alle drei sich einig, und er kann aufbrechen. «Meinen Sie nicht auch, daß Harry wiederkommt?»
    «Nein», sagt Angstrom und sieht auf den Boden, «niemals. Er ist zu weit weg. Er wird immer tiefer rutschen, immer tiefer, bis wir ihn vergessen können. Wenn er zwanzig wäre oder zweiundzwanzig – aber in seinem Alter … In der Druckerei beobachte ich manchmal diese jungen Brewer-Lümmel. Sie taugen zu nichts. Und ich sitze da an meiner Maschine und denke seit zwei Monaten darüber nach, wie mein Harry so was hat machen können, wo er doch Unordnung immer so gehaßt hat.»
    Eccles dreht sich zu Mrs. Angstrom um, und es durchfährt ihn, als er sie am Waschbecken lehnen sieht mit nassen glänzenden Wangen unter den Brillengläsern. Erschüttert steht er auf. Weint sie, weil sie denkt, ihr Mann sagt die Wahrheit, oder weil sie denkt, er sagt das nur, um sie zu verletzen, aus Rache, weil sie ihn gezwungen hat, zuzugeben, daß er sie gewollt hat? «Ich hoffe, daß Sie nicht recht behalten werden», sagt Eccles. «Ich muß jetzt gehn. Ich danke Ihnen, daß Sie das alles mit mir besprochen haben. Ich sehe, daß es sehr schmerzlich für Sie ist.»
    Angstrom führt ihn durchs Haus zurück, und im dunklen Eßzimmer berührt er seinen Arm. «Er wollte immer, daß Ruhe und Frieden herrscht», sagt er. «Ich habe nie einen solchen Jungen gesehn wie ihn. Der kleinste Krach in der Familie hat ihn ganz krank gemacht – wenn Mary und ich – nun ja – wenn wir uns ein bißchen gekabbelt haben.» Eccles nickt, aber er bezweifelt, ob der richtige Ausdruck ist für das, was er miterlebt hat.
    In den Schatten des Wohnzimmers steht ein junges Mädchen mit kurzärmeligem Sommerkleid. «Mim! Bist du gerade gekommen?»
    «Mhm.»
    «Dies ist Pater – ich meine Reverend –»
    «Eccles.»
    «Eccles. Er wollte mit uns über Harry sprechen. Meine Tochter Miriam.»
    «Guten Tag, Miriam. Harry spricht immer so nett von Ihnen.»
    «Hallo!»
    Und der Ton, in dem sie das sagt, gibt dem großen Fenster hinter ihr den intimen Schmelz der Fenster in einer Luncheonette. Flapsige Begrüßungen flattern hinter ihr auf, und Fahnen aus Zigarettenrauch und billigem Parfüm umwehen sie. Sie hat die Nase ihrer Mutter, aber bei ihr ist sie eine Zierde. Bei ihr hat sie sarazenische Schärfe oder eine noch ältere, eine barbarische. Wenn man von der vorspringenden Nase aus geht, würde man denken, Miriam habe die Statur ihrer Mutter. Aber als dann der Vater neben ihr steht, sieht Eccles, daß sie nach ihm geraten ist. Das schöne Mädchen und der müde Mann, sie

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