Hasenherz
machen müssen als ich je.»
«Hast du für Fotos posiert?»
«Du meinst, wie Schuljungen sie haben? Nein.»
«Hast du's auch mit dem Mund gemacht?»
«Hör zu, vielleicht sollten wir uns Adieu sagen.» Bei diesem Gedan ken allein zittert ihr Kinn, und ihre Augen brennen, und sie haßt ihn so sehr, daß sie meint, sie werde es nie über sich bringen können, ihm ihr Geheimnis preiszugeben. Und dies Geheimnis in ihr scheint in gar keiner Beziehung mehr zu stehen zu diesem großen Körper, der neben ihr unter den Straßenlaternen geht, von der gespenstischen Gier beseelt, immer mehr zu hören und sich aufstacheln zu lassen. Darin sind sich alle gleich gewesen, alle haben sie dem Mund eine große Bedeutung beigemessen. Rabbit kommt ihr wie ein Fremder vor, nur: er hat sie an sich geschweißt, ohne es zu wissen, und sie kann sich nicht mehr von ihm lösen.
Mit erniedrigender Dankbarkeit hört sie ihn sagen: «Nein, ich will nicht Adieu sagen. Ich will nur eine Antwort auf meine Frage haben.»
«Die Antwort auf deine Frage ist: ja.»
«Bei Harrison?»
«Warum ist Harrison dir so wichtig?»
«Weil er stinkt. Und wenn Harrison für dich dasselbe ist wie ich, dann stinke ich auch.»
In diesem Augenblick sind sie dasselbe für sie; tatsächlich würde sie Harrison vorziehen, einfach zur Abwechslung, einfach, weil er nicht darauf besteht, das Fabelhafteste zu sein, was Gott geschaffen hat; aber sie lügt. «Ihr seid ganz und gar nicht dasselbe für mich. Ihr seid nicht in derselben Liga.»
«Ich hab ein ziemlich komisches Gefühl gehabt, als ich euch beiden so gegenübersaß in der Bar. Was hast du alles mit ihm gemacht?»
«Ach, ich weiß nicht mehr. Was macht man denn? Man schläft miteinander, man versucht, dem andern nahe zu kommen.»
«Hör zu, würdest du mit mir auch machen, was du mit ihm gemacht hast?»
Mit ihrer Haut geht eine seltsame Veränderung vor; sie zieht sich so stark zusammen, daß ihr ganzer Körper wie ausgequetscht ist, oder als sei er inwendig verfault. «Wenn du's von mir verlangst.» Seitdem sie seine Frau ist, kommt es ihr so vor, als sei ihre Haut nicht mehr so straff wie früher. Eine jungenhafte Erleichterung kommt über ihn. Seine Zähne blitzen glücklich. «Nur ein einziges Mal», verspricht er, «ehrlich. Ich bitte dich nie wieder darum.» Er will den Arm um sie legen, aber sie entzieht sich ihm. Ihre einzige Hoffnung ist, daß sie nicht dasselbe meinen.
Als sie in der Wohnung sind, fragt er kläglich: «Tust du's jetzt?» Sie ist betroffen von der Hilflosigkeit, die aus seiner Haltung spricht; ihre Augen haben sich noch nicht an die Dunkelheit im Zimmer gewöhnt, und er erscheint ihr wie ein Anzug, der an einem großen weißen Knauf hängt, seinem Gesicht.
«Bist du sicher, daß wir dasselbe meinen?» fragt sie.
«Was meinst du denn, was wir meinen?» Sein Feinsinn verbietet ihm, die Worte auszusprechen.
Sie sagt es ihm.
«Genau», sagt er.
«Das willst du jetzt so aus heiterm Himmel?»
«Mhm. Ist es dir so schrecklich?»
Dies plötzliche Aufblühen seiner alten Sanftheit macht sie mutiger. «Darf ich fragen, was ich getan habe?»
«Ich mochte nicht, wie du dich heute abend benommen hast.»
«Wie habe ich mich benommen?»
«Danach, was du gewesen bist.»
«Das war nicht meine Absicht.»
«Trotzdem. Für mich bist du heute abend so gewesen, und ich fühlte, wie sich eine Wand zwischen uns schob, und dies ist die einzige Möglichkeit, die Wand zu durchbrechen.»
«Das ist gerissen. Du hast einfach bloß Lust darauf.» Es verlangt sie danach, ihn zu schlagen, ihm zu sagen, er soll verschwinden. Aber diese Zeiten sind vorbei.
«Ist es so schrecklich für dich?» wiederholt er.
«Ja, weil du denkst, es ist schrecklich.»
«Vielleicht finde ich das gar nicht.»
«Hör zu, ich habe dich geliebt.»
«Ich habe dich geliebt.»
«Und jetzt?»
«Ich weiß nicht. Ich will's immer noch.»
Jetzt kommen wieder diese verdammten Tränen. Sie bemüht sich, ganz rasch zu sprechen, um fertig zu sein, wenn ihre Stimme bricht: «Das ist nett von dir. Das ist wirklich heroisch.»
«Red nicht so. Hör zu. Heute abend hast du dich gegen mich gestellt. Ich muß dich jetzt auf den Knien vor mir sehn.»
«Wenn's nur darauf ankommt »
«Nein, nicht nur darauf.»
Die beiden großen Drinks haben einen armseligen Erfolg: sie will nichts als schlafen, und ihre Zunge schmeckt sauer. In ihrem Leib fühlt sie die Notwendigkeit, ihn zu halten, und sie fragt sich, ob ihn dies jetzt
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