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Hasenherz

Hasenherz

Titel: Hasenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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erschrecken wird. Ob dies sie töten wird in ihm.
    «Wenn ich's tue, was würde es dir beweisen?» «Es würde mir beweisen, daß du mir gehörst.» «Soll ich mich ausziehn?» «Natürlich.» Er legt selber die Kleider ab, rasch und ordentlich, und steht dann mit leuchtendem Körper gegen die trübverschwommene Wand. Verlegen lehnt er sich dagegen und hebt eine Hand hoch und hängt sie sich an die Schulter, weil er nicht weiß, was er sonst mit ihr tun soll. Seine schüchterne Haltung hat straffe Flügel vor Spannung; wie ein Engel steht er da, der auf das erlösende Wort wartet. Ruth läßt das letzte Kleidungsstück fallen, und ihre Arme streifen kalt an ihren Flanken entlang. Im letzten Monat sind sie immer kalt gewesen; als habe sie verschiedene Temperaturen im Körper. Rabbit bewegt sich leise im dämmernden Licht. Sie schließt die Augen und redet sich zu: Sie sind nicht häßlich, nein, sie sind nicht häßlich.
     
    Mrs. Springer rief kurz nach acht in der Pfarrei an. Mrs. Eccles sagte ihr, daß Jack mit dem Softball-Team seiner Jugendgruppe weggefahren sei, zu einem Spiel, das zwanzig Kilometer entfernt irgendwo stattfinde, sie wisse nicht, wann er zurückkomme. Mrs. Springers Panik pflanzte sich durch die Leitung fort, und Lucy versuchte zwei Stunden lang, ihren Mann über die verschiedensten Nummern zu erreichen. Es wurde dunkel. Endlich brachte sie eine Verbindung mit dem Pfarrer zustande, gegen dessen Team das Spiel ausgetragen wurde, und der sagte ihr, das Spiel sei bereits seit einer Stunde zu Ende. Die Dunkelheit draußen wurde immer dichter; das Fenster, auf dessen Sims das Telefon steht, wurde zu einem wächsern schlierigen Spiegel, in dem sie sich sehen konnte, mit aufgelöstem Haar, abwechselnd zum Telefonbuch und zum Hörer greifend. Joyce hörte das unablässige Klicken der Wähl scheibe und kam die Treppe herunter und kuschelte sich an die Mutter. Dreimal brachte Lucy sie wieder ins Bett, und zweimal kam das Kind wieder herunter und schmiegte seinen schlaffeuchten kleinen Körper in erschreckter Wortlosigkeit ans Knie der Mutter. Das ganze Haus lag im Dunkel, wie eine schwarze Masse umgaben die Zimmer die kleine Insel von Licht am Telefon, sie blähten sich mit einer Drohung, und als Joyce kein drittes Mal aus ihrem Bettchen herunterkam, fühlte Lucy sich schuldig und gleichzeitig im Stich gelassen, als habe sie ihren einzigen Verbündeten gegen die Schatten von sich gestoßen. Sie wählte die Nummer jedes Sorgenkindes in der Gemeinde, das ihr einfiel, sie versuchte es beim Kirchenvorstand, beim Pfarramtssekretär, bei den drei Vorsitzenden der Wohlfahrtsorganisation und sogar beim Organi sten, der gleichzeitig Klavierlehrer ist und in Brewer wohnt.
    Der Stundenzeiger hat die zehn schon überschritten, allmählich wird es peinlich. Es ist, als ob sie verlassen worden sei. Es ängstigt sie allen Ernstes, daß ihr Mann nirgendwo auf der Welt zu finden ist. Sie kocht Kaffee und weint hilflos, in ihrer eigenen Küche. Wie ist sie in diese Lage gekommen? Was hat sie dahin gebracht? Seine Heiterkeit, er war immer so heiter. Wenn sie an die Zeit zurückdenkt, als er noch auf dem Seminar war: nie hätte sie damals gedacht, daß er seinen Beruf so ernst nehmen würde; er und seine Freunde saßen in ihren zugigen Mietzim mern herum, umgeben von wunderschönen blauen exegetischen Arbei ten und taten so, als sei alles nur eine elegante Spielerei. Sie weiß noch, sie hat mal mit ihnen Softball gespielt, eine Schlacht zwischen Athanasi ern und Arianern. Und heute bekommt sie nichts mehr von seiner Heiterkeit zu spüren, seine ganze Kraft geht für andere Leute drauf, für diese gräßliche, graue, unantastbare Gemeinde, ihre Feindin. Oh, wie sie alle haßt, die anhänglichen, übergeschnappten, jammernden Witwen und die gottsuchenden jungen Leute. Etwas Gutes ist wenigstens dran, wenn die Russen rüberkommen: sie schaffen die Religion ab. Man hätte sie schon vor hundert Jahren abschaffen sollen. Vielleicht auch nicht, vielleicht brauchen wir sie für unsere Seele, aber soll doch ein anderer sie verwalten. Auf Jack hat sie einen düsteren Einfluß. Manch mal bedauert sie ihn deswegen, wie in diesem Augenblick zum Beispiel.
    Als er dann endlich kommt, ist es Viertel vor elf, und es stellt sich heraus, daß er in einem Drugstore gesessen und sich mit ein paar seiner Teenager unterhalten hat. Die idiotischen Gören bereden alles mit ihm und qualmen wie Schlote dabei, und wenn er nach Haus kommt, ist er total

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