Hassbluete
sehen, wie er sich auf die Zunge biss.
»Mike fand auch, dass du ein Loser bist«, sagte ich. »Er hatte weder Angst vor dir noch Vertrauen zu dir.«
Wieder hinterfragte er nicht, woher ich das wissen konnte und ob Mike sich jetzt plötzlich doch an alles erinnern konnte. »Blödsinn, Mike hat mich gebraucht. Er hatte doch sonst niemanden zum Reden. Du hast ihn ja auch im Stich gelassen, hast ihm misstraut und bist auf Abstand gegangen, hat er mir erzählt. Wir haben uns ein paarmal nach Robins Sturz getroffen und einfach nur geredet. Leider hab ich es nicht geschafft, ihm seine Schuldgefühle auszureden.«
»Ich weiß, im Blue Sea – Daniel hat euch gesehen.«
»Was hat er gesehen? Oder hat er was gehört?«
»Ist doch egal. Du bildest dir das alles nur ein, wie toll du bei anderen ankommst und wie dich alle bewundern«, blieb ich hartnäckig. »Robin wollte dich nicht mehr, Lisa will dich inzwischen auch nicht mehr … «
»Aber Mike wollte mich, hörst du!?« Er rüttelte an meinen Schultern und ich krallte mich am Geländer fest, so gut es ging. »Willst du wissen, wie es wirklich war mit Mike?«
»Ja.«
Er hatte mich jetzt vollständig umfasst und klammerte sich so fest an mich, dass ich kaum noch Luft bekam.
»Ich war dabei, als das mit Mike passiert ist. Wir sind nach dem Blue Sea zusammen hierhin zur Brücke gegangen. Ich hab mir Sorgen um ihn gemacht und bin bis zum Schluss bei ihm geblieben. Bis es dunkel war.«
»Warum hast du keine Hilfe geholt?«
»Weil mir niemand geglaubt hätte. Erst die Sache mit Robin und kurz darauf auch noch Mike!? Nein, damit wäre ich nicht durchgekommen.«
»Du hast in Kauf genommen, dass Mike stirbt!?«
»Ja, das war sein Spiel, nicht meins. Das ganze Leben ist nur ein Spiel, aber jeder spielt sein eigenes.«
»Du bist schuld, dass Mike jetzt im Rollstuhl sitzt, weil du nicht sofort den Notarzt gerufen hast!«
»Ich dachte doch, er sei tot. Es ist ein Wunder, dass er überlebt hat. Und ich hab dir dein Spiel gelassen, wenn auch ohne Absicht: Michelle die Retterin.«
Mir wurde fast schlecht und ich konnte kaum noch atmen, aber ich musste jetzt weitermachen. »Ich fühl mich aber nicht so.«
»Daran kannst du arbeiten, ich helf dir dabei.«
»Wie denn?«
»Als Erstes musst du dir selber vergeben und verzeihen, was du Robin und Mike angetan hast. Am besten ist es, solche Schuldgefühle erst gar nicht zu zulassen. Alles, was den Menschen passiert, ist immer das Beste, was ihnen passieren kann. Wenn man es so sieht, ist jeder frei und ohne Schuld.«
Ich wollte ihn anschreien für den Schwachsinn, den er da behauptete, aber ich versuchte, mich zusammenzureißen, und fragte stattdessen: »Wozu gibt es dann noch Gefängnisse, wenn jeder machen darf, was er will?«
»Weil das zum Spiel dazu gehört. Vielleicht gäb’s viel weniger Verbrechen, wenn sie nicht verboten wären!? Alles, was verboten ist, reizt doch!«
»Du meinst also, dass es für Mike das Beste ist, dass er vielleicht für immer im Rollstuhl sitzen muss!?«
Er war wirklich wahnsinnig.
»Ja, weil er sonst eines Tages vielleicht eine Bank ausrauben und jemanden dabei erschießen würde, wer weiß.«
»Und du sagst, das wäre wiederum auch das Beste für ihn – und den Erschossenen?«
»Kluges Mädchen, du hast es begriffen.«
Er ekelte mich an. »Wenn du willst, können wir uns gern öfter treffen«, schnurrte er.
Damit ich nach Robin und Mike die dritte Spielpuppe für seine merkwürdigen Methoden werde!? Nein, danke!
»Weil es das Beste für mich wäre?«, spielte ich das Spiel weiter mit.
»Absolut«, sagte er.
»Dann ist das, was mit Mike hier passiert ist …?«
»Ein selbst gewählter Selbstmordversuch, ja.«
»Und du hast es nicht verhindert?«
»Der freie Wille zählt. Er hatte sich nun mal so entschieden. Daran konnte ich nichts mehr ändern!?«
»Du wolltest nicht. Du hättest ihn festhalten können!«
»So wie ich dich jetzt festhalte!?«
»Ja.«
»Aber du willst ja nicht springen.«
»Und wenn doch!?«
»Aber wieso denn? Ich sag dir doch, dass du es verdient hast zu leben!«
Mir drehte sich der Magen und ich würgte. Er ging etwas auf Abstand, hielt mich aber immer noch. »Was ist? Was stimmt denn nicht mit mir?«
»Hast du auch zu Mike gesagt, dass er es verdient hat zu leben!?«
»Ja.«
»Und er hat sich trotzdem fallen lassen!?«
»Ja.« Wolfgang wusste nicht, worauf ich hinauswollte.
»Du bist widerlich! Ich würde auch lieber sterben, als mein Leben davon
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