Hasturs Erbe - 15
riskierte ich einen intensiveren Kontakt…
… und traf auf eine perfekte, feste Verteidigung, eine leere Wand. Nach einem Augenblick versuchte ich es stärker. Die Gabe der Altons war erzwingbare Verbindung, selbst mit Nontelepathen. Er wollte es, und wenn ich es ihm geben konnte, könnte er möglicherweise Schmerz aushalten. Er stöhnte, und etwas rührte sich in seinem Kopf, als schmerze ihn etwas. Möglicherweise war ich es. Die Gefühle verwischten immer noch alles andere. Jawohl, er hatte das Laran-Potential. Doch er hatte es blockiert. Vollständig blockiert.
Ich wartete einen Moment und dachte nach. Es war nicht sonderlich ungewöhnlich. Manche Telepathen verbringen ihr ganzes Leben so. Es gibt keinen Einwand dagegen. Telepathie war, wie ich ihm gesagt hatte, kein reiner Segen. Doch gelegentlich löste es sich langsam und sicher auf. Ich wich in die äußeren Sphären seines Bewußtseins zurück und fragte, nicht mit Worten: Vor welchem Wissen hast du Angst, Regis? Wehre es nicht ab. Versuche, dich zu erinnern, welches Wissen du nicht ertragen kannst. Es gab eine Zeit, als du dies bewußt konntest. Versuche dich zu erinnern…
Es war das falsche. Er hatte meinen Gedanken empfangen. Ich fühlte die Antwort - eine Muschel, die zuschnappte, eine empfindliche Pflanze, die sich um den Blütenkelch schließt. Er rang die Hände aus meinen Fingern, bedeckte wieder die Augen und murmelte: „Mein Kopf tut weh. Mir ist übel. Mir ist so übel…”
Ich mußte mich zurückziehen. Er hatte mich wirksam ausgestoßen. Möglicherweise hätte eine gut ausgebildete Bewahrerin ihren Weg durch den Widerstand erzwingen können, ohne ihn zu töten. Doch ich konnte es nicht. Ich hätte die Barriere niederreißen und ihn zwingen können, dem entgegenzutreten, was er dort versteckt hatte, doch dabei hätte er auch gänzlich zerbrechen können, und ob man ihn jemals wieder hätte zusammenflicken können, war zweifelhaft.
Ich fragte mich, ob er einsah, daß er sich dies selber angetan hatte. Einem solchen Wissen entgegenzutreten war ein schmerzhafter Prozeß. Zu jenem Zeitpunkt war die Errichtung der Barriere wohl die einzige Möglichkeit gewesen, seinen Verstand zu retten, selbst wenn es den Wahnsinnspreis erforderte, sein gesamtes Psi-Potential damit abzublocken. Meine eigene Bewahrerin hatte es mir am Beispiel der Kreatur erklärt, die hilflos in der Falle sitzt, sich die gefangene Pfote abnagt und Lahmheit dem Tod vorzieht. Manchmal gab es viele Schichten bei einer solchen Barriere.
Die Barriere oder Hemmung konnte sich eines Tages von selbst auflösen und sein Potential freigeben. Zeit und Reife halfen da eine Menge. Es konnte auch sein, daß er sich eines Tages in tiefer Intimität und Liebe frei davon finden würde. Oder - auch das erwog ich - diese Barriere war für sein weiteres Leben bei Verstand absolut notwendig, was bedeutete, daß sie bleiben würde, und wenn man sie zerbräche, bliebe ihm nicht genug, um weiterzuleben zu können.
Ein Katalysatortelepath hätte ihn möglicherweise erreichen können. Doch in diesen Tagen wurden die verschiedenen Psi-Kräfte der Comyn aufgrund von Inzucht, wahllosen Heiraten mit Nontelepathen und des Verschwindens der alten Möglichkeiten, solche Anlagen zu stimulieren, nicht mehr richtig vererbt. Ich war zwar der lebende Beweis, daß die Gabe der Altons manchmal noch in Reinform erschien. Doch allgemeiner gesehen konnte niemand das Netz von Talenten sortieren. Die Gabe der Hasturs - niemand wußte, was es war, selbst auf Arilinn haben sie es mir nicht gesagt - kann ebenso in den Aillard- oder Elhalyn-Domänen auftauchen. Bei den Ardais hatte es einst Katalysatortelepathen gegeben. Dyan war sicherlich keiner! So weit mir bekannt war, gab es keinen lebenden mehr.
Lange Zeit später, so schien es mir, rührte sich Regis, rieb sich die Stirn, öffnete die Augen und blickte immer noch mit diesem schrecklich suchenden Ausdruck. Die Droge wirkte noch in ihm -dieser Zustand würde noch Stunden andauern -, doch begann er nun, kurze, bewußte Intervalle zu erleben. Seine unausgesprochene Frage war völlig klar. Ich mußte bedauernd den Kopf schütteln.
„Tut mir leid, Regis.”
Ich hoffe, niemals wieder werde ich derartige Verzweiflung in einem jungen Gesicht sehen. Wenn er zwölf Jahre alt gewesen wäre, hätte ich ihn in den Arm genommen und versucht, ihn zu trösten. Doch er war kein Kind mehr, und ich war es ebensowenig. Sein verschlossenes, verzweifeltes Gesicht hielt mich auf
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