Hasturs Erbe - 15
langen Zeitraum, eine gemeinsam verbrachte Kindheit, zurücksehen. Wo war sie geblieben?
Mit einem Gefühl, als müsse er eine unglaubliche Erschöpfung bekämpfen, - ihm schien es, als müsse er dies schon seit undenkbaren Zeiten tun -, griff er nach Danilos Hand. Sie fühlte sich hart, schwielig und real an, der einzige, feste Fixpunkt in einem treibenden, sich auflösenden Universum. Einen Augenblick lang dachte er, seine Hand greife durch Danilo hindurch, als seien sie beide nicht wirklich. Er zwinkerte, um seinen Blick zentrieren zu können, und sah vor sich eine von blauem Licht umschimmerte Gestalt. Er konnte durch Danilo hindurch die dahinteriiegende Wand sehen. Er versuchte, sich auf die fliegenden Funken des Feuers zu konzentrieren und erinnerte sich an Javannes Warnung: Kämpfe dagegen an, bewege dich, sprich. Er mühte sich, seine Stimme wiederzuerlangen. „Vergib mir, Dani. Wer sollte mir wohl sonst dienen, wenn nicht mein verschworener Freund?”
Und während er dies sagte, fühlte er mit Erstaunen die Struktur
von Danilos Erleichterung. Meine Leute haben schon seit Generationen den Hasturs gedient. Jetzt bin auch ich auf dem Platz, wo ich hingehöre.
Nein. Ich will niemanden beherrschen…!
Doch die rasche Ablehnung wurde von beiden nicht als persönliche Zurückweisung verstanden, sondern als wirkliche Verkörperung dessen, was sie beide waren, so daß die Hinwendung Danilos das Vergnügen und die Erleichterung bedeutete, die sie war, und Regis wußte, er durfte nicht nur diesen Dienst annehmen, sondern ihn auch dankbar und freudig akzeptieren.
Danilos Gesicht sah plötzlich sonderbar und ängstlich aus. Er bewegte die Lippen, doch Regis konnte ihn nicht hören. Körperlos schwamm er in der funkelnden Dunkelheit. Er hörte sein eigenes Flüstern: „Ich bin… in deinen Händen…” Dann entglitten ihm auch diese Worte, und er brach in Danilos Armen zusammen.
Er wußte nicht, wie er dorthin gelangt war, doch Sekunden später spürte er am ganzen Körper einen schneidenden Schmerz und merkte, wie er nackt in einer großen Wanne mit heißem Wasser schwamm. Danilo kniete neben ihm und massierte ängstlich seinen Puls. Sein Kopf raste vor Schmerz, doch er nahm wieder reale Objekte wahr, und sein Körper fühlte sich beruhigend fest an. Ein Diener schwebte mit trockenen Kleidern vorbei und versuchte, Danilos Aufmerksamkeit zu erregen, um dessen Zustimmung zu erlangen.
Regis lag da und beobachtete sie und fühlte sich zu erschöpft, um mehr zu tun, als lediglich ihre Dienste zu akzeptieren. Er merkte, wie Danilo unaufdringlich versuchte, sich zwischen Regis und den aldaranischen Diener zu drängen. Rasch wies er den Bediensteten hinaus und murmelte verhalten: „Ich traue keinem von ihnen so weit, dich mit ihm allein zu lassen.” Zunächst schien das Wasser seinen Körper zu verbrühen; jetzt spürte er, daß es nur lauwarm war. Das Wasser war vermutlich vor längerer Zeit, wahrscheinlich für Danilo, eingelassen worden, bevor Regis hereingekommen war. Danilo beugte sich, immer noch mit
sorgenvollem Gesicht, über ihn. Plötzlich erfüllte Regis eine so unerträgliche Angst, daß er das angenehme, sinnliche Vergnügen, im heißen Wasser zu liegen, das seinen steifen und unterkühlten Körper umhüllte - elf Nächte unterwegs, ohne sich ein einziges Mal warm gefühlt zu haben - abschnitt, sich hochzog, aus der Wanne schleppte und in ein Handtuch einhüllte. Danilo kniete sich nieder, um ihn abzutrocknen und sagte: „Ich habe den Diener nach einer Heilkundigen geschickt. So etwas muß es doch hier geben. Regis, ich habe noch nie zuvor jemanden in Ohnmacht fallen sehen. Deine Augen waren offen, aber du konntest mich weder sehen noch hören.”
„Schwellenkrankheit.” Kurz dachte er über eine Erklärung nach. „Ich hatte schon früher Anfälle. Das Schlimmste habe ich hinter mir. Ich glaube, eine Heilkundige kann da nicht helfen. Gib mir das dort, ich kann das allein.” Entschlossen nahm er Danilo das Tuch aus der Hand. „Sag Bescheid, daß sie sich nicht darum zu kümmern braucht, und versuche, etwas Heißes für mich zu trinken zu bekommen.”
Skeptisch zog sich Danilo zurück. Regis trocknete sich zu Ende ab und streifte die Unvertrauten Kleider über. Seine Hände zitterten so stark, daß er kaum die Bänder und Schlaufen schließen konnte. Was ist mit mir los, fragte er sich, warum wollte ich nicht, daß mir Dani beim Anziehen hilft? In kaltem Entsetzen blickte er auf seine Hände, als
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