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Hasturs Erbe

Hasturs Erbe

Titel: Hasturs Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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für ihre Gedanken »anfühlte«, und wand sich dabei – herauskam, daß sie mich wie den Geruch von Sattelleder wahrnahm. Man versucht immer, eine Erfahrung in Worte zu kleiden, die nichts mit verbalem Ausdruck zu tun hat.
    Ich kontaktierte Marjorie und spürte ihre Gegenwart in dem fragmentarischen Zirkel … ein Wirbel goldener Schneeflocken, Seidenrascheln, wie ihre Hand auf meiner Wange. Ich brauchte sie nicht anzusehen. Ich brach den versuchsweisen vierteiligen Kontakt ab und sagte: »Eigentlich ist es das – wenn wir erst gelernt haben, unsere Resonanzen aneinander anzugleichen …«
    »Wenn es so einfach ist, warum haben wir es dann noch nie versucht?« fragte Thyra.
    Ich versuchte zu erklären, daß die Verbindung mit mehr als einem Kopf, mehr als einer Matrix, die schwierigste der Grunddisziplinen auf Arilinn darstellt. Ich spürte, wie sie versuchte, in Kontakt zu treten, und ich senkte meine Barrieren und erlaubte ihr, mich zu erreichen. Wieder die schwarze Bestie, das Gefühl von Pranken … Rafe keuchte und schrie auf. Ich versuchte Thyra abzuschütteln. »Erst, wenn du weißt, wie es geht«, sagte ich. »Ich versuche, es dir beizubringen, aber du mußt erst lernen, wann genau der Punkt der Übereinstimmung da ist, dann kannst du dich mit mir in Verbindung setzen. Versprich mir, es vorher nicht noch einmal zu versuchen, Thyra, und ich verspreche, es dir beizubringen. Einverstanden?«
    Sie versprach es und zitterte heftig wegen ihres Versagens. Ich war deprimiert. Wir waren also nur vier, und Rafe war noch ein Kind. Beltran konnte überhaupt keinen Kontakt herstellen, und Kadarin war eine unbekannte Größe. Nicht ausreichend für Beltrans Pläne. Nicht annähernd ausreichend.
    Wir benötigten einen Katalysatortelepathen. Oder anders ausgedrückt: Weiter konnte ich nicht gehen.
    Rafes Versuche, das Feuer niederzuhalten, und unsere Experimente mit den Wassertropfen hatten das Feuer zum Qualmen gebracht. Marjorie begann zu husten. Jeder von uns hätte es wieder zum Lodern bringen können, doch ich begrüßte die Gelegenheit, mich aus dem Zimmer zu entfernen. Ich sagte: »Gehen wir in den Garten.«
    Die Nachmittagssonne schien hell und brachte den Schnee zum Schmelzen. Die Pflanzen, die am Morgen erst ihre Spitzen aus dem Schnee gestreckt hatten, begannen bereits zu knospen. Ich fragte: »Wird Kermiac wütend, wenn wir ein paar seiner Blumen nehmen?«
    »Blumen? Nein, nimm, was du brauchst. Was hast du mit ihnen vor?«
    »Blumen sind ein ideales Testmaterial«, antwortete ich. »Es ist gefährlich, mit den meisten lebenden Geweben zu experimentieren, aber mit Blumen kann man die Feinkontrolle sehr gut lernen, und sie leben nur kurze Zeit, so daß man nicht unnötig hart in die Natur eingreift. Zum Beispiel so.« Ich hielt die Matrix in der hohlen Hand und konzentrierte meine Aufmerksamkeit auf eine vollentwickelte Blüte, die sich allerdings noch nicht geöffnet hatte, und übte den leichtesten mentalen Druck aus. Langsam entfaltete sich die Blüte und streckte die zarten Griffel aus, während ich den Atem anhielt.
    Eines nach dem anderen entfalteten sich die Blätter, bis sie in voller Blüte vor uns stand. Marjorie holte leise, überrascht und aufgeregt Luft.
    »Aber du hast sie nicht zerstört!«
    »Irgendwie schon. Die Blüte ist nicht voll ausgereift und wird vielleicht niemals ausreifen, um befruchtet zu werden. Ich habe es nicht versucht. Eine Pflanze zum Reifen zu bringen, bedarf intensiver Kontrolle. Ich habe lediglich die Blütenblätter manipuliert.« Ich setzte mich mit Marjorie in Kontakt. Versuch es mit mir zusammen. Versuch zuerst, tief in die Zellstruktur hineinzusehen, um genau zu erkennen, wie jede Schicht der Blätter aussieht .
    Beim ersten Mal verlor sie die Kontrolle, und die Blütenblätter verschmolzen zu einer amorphen, farblosen Masse. Beim zweiten Mal gelang es ihr fast ebenso perfekt wie mir. Auch Thyra beherrschte den Trick schnell, ebenso Rafe nach einigen Versuchen. Beltran hatte Mühe, die erforderliche Feinkontrolle zu erlangen, doch es gelang ihm. Vielleicht würde er ein ordentlicher Psi-Monitor. Auch Nontelepathen schaffen dies manchmal ganz gut.
    Ich sah Thyra beim Wasserfall stehen und auf ihre Matrix blicken. Ich redete sie nicht an, weil ich neugierig war, was sie ohne Hilfe zustande bringen würde. Es wurde schon spät – wir hatten einige Zeit bei den Blumen verbracht –, und die Dämmerung setzte ein. Hier und dort blitzten in der Stadt unter uns Lichter auf.

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