Hasturs Erbe
er alles anders sah als die Comyn-Lords. Ich kannte ihre Seite; die andere Seite kennenzulernen hatte ich noch nie die Gelegenheit gehabt.
Als ich ihm von Hasturs Unruhe über die Verletzung des Abkommens berichtete und sagte, man habe mich hergeschickt, die Wahrheit herauszufinden, nickte er stirnrunzelnd und dachte nach. Schließlich sagte er: »Danvan Hastur und ich haben schon früher darüber Worte gewechselt. Ich zweifle, ob wir jemals übereinstimmen werden. Ich hege einen ziemlichen Respekt vor diesem Mann. Dort unten zwischen den Trockenstädten und den Terranern liegt er auf keinem Rosenbett, und wenn man sich alles so betrachtet, hat er es ganz gut geschafft. Aber seine Wahl ist nicht die meine, und glücklicherweise bindet mich kein Eid, zu ihnen zu stehen. Ich selber glaube, daß das Abkommen seine nützliche Phase hinter sich hat, wenn es jemals eine hatte – und dessen bin ich nicht mehr so sicher.«
Ich hatte gewußt, daß er so dachte, und dennoch war ich erschüttert. Von Kindheit an hatte man mich gelehrt, das Abkommen sei das oberste ethische Gesetz zivilisierter Menschen.
»Denk einmal nach«, sagte er. »Weißt du, daß wir ein Teil der großen galaktischen Zivilisation sind? Die Tage, in denen ein einzelner Planet für sich leben konnte, sind vorüber. Schwerter und Schild gehören in jene Zeit und müssen zusammen mit ihr verlassen werden. Merkst du, welch ein Anachronismus wir sind?«
»Nein, Sir, das sehe ich nicht so. Ich weiß über andere Welten nicht soviel wie über diese hier.«
»Und nicht einmal allzuviel über diese hier, scheint mir. Laß mich eines fragen, Lew, wann hast du den Gebrauch von Waffen gelernt?«
»Mit sieben oder acht ungefähr.« Ich war immer stolz darauf gewesen, keinen Kämpfer in den Domänen fürchten zu müssen – und auch nicht außerhalb davon.
»Ich auch«, sagte der alte Mann. »Und als ich zur Herrschaft auf den Thron meines Vaters kam, nahm ich selbstverständlich an, daß mir Leibwächter überallhin folgen würden, außer an mein Hochzeitslager! Nach der Hälfte meines Lebens merkte ich, daß ich in einer toten Vergangenheit lebte, die seit Jahrhunderten verschwunden war. Ich schickte meine Leibwache heim auf ihre Höfe, bis auf ein paar alte Männer, die nichts anderes konnten und kein Auskommen hatten. Ich ließ sie umhergehen und wichtig tun, aber eher um ihrer selber willen als zu meinem Nutzen. Und dennoch sitze ich hier ohne Sorgen und frei in meinem eigenen Haus, und meine Herrschaft stellt niemand in Frage.«
Ich war entsetzt. »Jedem Unzufriedenen ausgeliefert …«
Er zuckte die Achseln. »Ich bin hier, froh und gesund. Nach und nach wollten mich diejenigen, die Aldaran unterstützen, auf diesem Platz. Wenn sie es nicht wollten, würde ich sie friedlich zu überzeugen versuchen oder abdanken und sie versuchen lassen, es besser zu machen. Glaubst du wirklich, Hastur hat die Autorität über die Domänen, weil er eine größere und bessere Leibwache als seine Rivalen hat?«
»Natürlich nicht. Ich habe nie gehört, daß ihn jemand ernsthaft herausgefordert hat.«
»So. Auch meine Leute sind mit meiner Herrschaft zufrieden. Ich brauche keine Privatarmee, um sie durchzusetzen.«
Ich war immer noch entsetzt. »Aber … irgendein Unzufriedener, ein Wahnsinniger …«
»Ein unglücklicher Sturz auf einer Treppe, ein Blitzschlag, ein unbedachter Tritt eines ängstlichen oder nur halb zugerittenen Pferdes, irgendein Fehler meines Kochs mit einem giftigen Pilz, den er mit einem eßbaren verwechselt … Lew, jeder Mensch ist vom Tod nur durch eine sehr schmale Linie getrennt. Das trifft sowohl in deinem Alter als auch in meinem zu. Wenn ich eine Rebellion mit bewaffneten Männern niederschlage, beweist das, daß ich der Bessere bin oder der einzige, der die besseren Kämpfer bezahlen oder größere Waffen bauen kann? Die lange Herrschaft des Abkommens bedeutet nur, daß man von jedem Mann erwartet, daß er seine Angelegenheiten mit dem Schwert regelt, anstatt mit seinem Gehirn oder der Gerechtigkeit seines Falles.«
»Das bleibt sich gleich. Es hat seit Generationen in den Domänen den Frieden erhalten.«
»Blödsinn!« sagte der Alte grob. »Ihr habt in den Domänen Frieden, weil ihr nach und nach da unten mit den Comyn-Gesetzen zufrieden wart und nicht jede kleinste Angelegenheit mehr mit dem Schwert regelt. Eure gefeierte Schloßgarde ist eine Polizeieinheit, die die Betrunkenen von der Straße hält! Ich will sie nicht beleidigen,
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