Hasturs Erbe
ich denke nur, so sollte es auch sein. Wann hast du das letzte Mal im Ernst dein Schwert gezogen, Sohn?«
Ich mußte nachdenken. »Vor vier Jahren sind Banditen in Armida eingefallen und haben Pferde gestohlen. Wir haben sie bis in die Kilghard-Berge verfolgt und einige von ihnen aufgehängt.«
»Wann hast du das letzte Duell ausgetragen?«
»Noch nie eines.«
»Und das Schwert hast du zum letzten Mal gegen gemeine Pferdediebe gezückt. Keine Rebellionen, Kriege, Invasionen von Nichtmenschen?«
»Nicht seit ich lebe.« Ich begann zu merken, worauf er hinauswollte.
»Aber dann …« sagte er. »Warum riskiert ihr gesetzestreuen, guten und loyalen Männer eure Leben gegen Pferdediebe, Banditen und anderes Gelichter, Gesetzesbrecher, die kein Recht auf den Schutz haben, der ehrenwerten Männer zusteht? Warum entwickelt ihr nicht wirksam einen Schutz gegen die Gesetzlosen und laßt eure Söhne etwas Nützlicheres lernen als die Fechtkunst? Ich bin ein friedlicher Mensch, und Beltran wird, glaube ich, keinen Grund haben, sich mit einer bewaffneten Macht dem Volk aufzuzwingen. Das Gesetz in den Hellers besagt, daß niemand, der den Frieden brechen kann, eine Waffe tragen darf, nicht einmal ein Schwert, und es gibt Gesetze, wie lang das Taschenmesser sein darf, das er tragen darf. Aber die Männer, die meine Gesetze einhalten, dürfen jede Waffe besitzen, die sie wollen. Ein ehrenwerter Mann stellt weniger eine Bedrohung für die Welt dar, wenn er einen terranischen Nervenzerstörer hat, als ein Gesetzloser mit einem Tranchiermesser oder einem Schmiedehammer. Ich glaube nicht daran, daß man gute Menschen gegen schlechte antreten lassen sollte, wenn beide mit den gleichen Waffen bewaffnet sind. Als ich die Märchen abschüttelte, schüttelte ich auch damit den Glauben ab, daß ein ehrenwerter Mann immer ein besserer Kämpfer sein müßte als ein Pferdedieb oder ein Bandit. Das Abkommen, das guten Menschen und Kriminellen jede Handwaffe erlaubt, und auch die Ausbildung dazu, bedeutet einfach, daß die ehrenwerten Männer Tag und Nacht kämpfen müssen, um stärker als die Schurken zu sein.«
Sicher lag einige Wahrheit in seinen Worten. Da mein Vater nun so lahm geworden war, war Dyan sicherlich der beste Schwertkämpfer in den Domänen. Bedeutete das aber auch, daß Dyan recht hatte, wenn er ein Duell gewann? Wären die Banditen die besseren Kämpfer gewesen, hätten sie dann auch ein Recht auf unsere Pferde gehabt? Und dennoch steckte ein Fehler in seiner Logik. Aber vielleicht gab es keine fehlerlose Logik.
»Was du sagst, stimmt, Onkel. Doch seit dem Zeitalter des Chaos wissen wir, wenn ein unehrenhafter Mann eine Waffe in die Hand bekommt, kann er großen Schaden anrichten. Beim Abkommen und den Waffen, die er aufgrund des Abkommens erwerben kann, kann er nur Schaden in seiner Reichweite anrichten.«
Kermiac nickte und akzeptierte, was ich gesagt hatte. »Stimmt. Aber wenn man über Waffen einen Bann ausspricht, dann werden bald nur noch Gesetzesbrecher an sie herankommen – das ist immer so. Der Erbe des alten Hastur ist so gestorben. Das Abkommen funktioniert nur so lange, wie jeder es einhalten will. In der heutigen Welt, wo Darkover nahe daran ist, Teil des Imperiums zu werden, kann man es nicht mit Gewalt durchsetzen. Das ist absolut unmöglich. Und wenn man versucht, ein Gesetz zu machen, das nicht funktionieren kann und das auch versagt, ermutigt es andere Menschen, Gesetze zu brechen. Ich mag die unnützen Gesten nicht, daher setze ich nur solche Gesetze durch, die auch funktionieren. Ich glaube, die einzige Botschaft, die Hastur in den Domänen zu verbreiten sucht, wenn er auch dem Abkommen seinen Lippendienst erweist, lautet: Macht das Land so sicher, daß niemand sich ernsthaft zu verteidigen braucht und Waffen nur Rangabzeichen der Ehre und der Mannhaftigkeit sind.«
Unruhig berührte ich den Knauf meines Schwertes, das ich an jedem Tag meines bisherigen Lebens als Erwachsener getragen hatte.
Kermiac klopfte mir liebevoll auf die Hand. »Mach dir keine Sorgen, Neffe. Die Welt geht ihren Gang und nicht so, wie du und ich es gerne hätten. Überlaß die Probleme von morgen den Menschen von morgen. Ich hinterlasse Beltran die Welt so gut ich kann, doch wenn er eine bessere haben will, muß er sie sich selber bauen. Ich stelle mir oft vor, wie sich eines Tages Beltran und der Erbe der Hasturs miteinander hinsetzen und eine neue Welt bauen, anstatt sich zwischen Thendara und Caer Donn mit Gift und
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