Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hasturs Erbe

Hasturs Erbe

Titel: Hasturs Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
Vom Netzwerk:
Vorvätern hegt, Sir, mit mir habt Ihr keinen Streit. Wenn das bei Danilo der Fall ist, muß er es mir selbst sagen. Ich wußte nicht, daß Euer Sohn so jung ist, daß er die Erlaubnis seines Vaters braucht, einen Gast zu empfangen.«
    Ein schwaches, ungehaltenes Erröten zog sich langsam über das bärtige Gesicht. Regis merkte zu spät, daß er unverschämt gewesen war. Es war keine Überraschung, daß Danilo das Mißfallen seines Vaters erregt hatte, doch hatte er die Wahrheit gesagt: Nach dem Gesetz der Domäne galt Danilo als Erwachsener.
    »Mein Sohn ist im Obstgarten, Dom Regis. Soll ich ihm sagen lassen, er möge herkommen? Wir haben nur ein paar Diener für solche Botengänge.«
    »Ich gehe hin, wenn es erlaubt ist.«
    »Vergebt mir allerdings, wenn ich Euch nicht begleite, da Ihr sicher allein mit meinem Sohn zu reden habt. Ich muß diese Vögel in die Küche bringen. Dieser Weg führt zum Obstgarten.«
    Regis ging den schmalen Weg hinab, den ihm der Alte gewiesen hatte. Am Ende öffnete er sich zu einem Hain mit Apfel- und Birnenbäumen. Die Früchte hingen überreif und glänzend unter den dunklen Blättern. Danilo harkte am anderen Ende mit dem Rücken zu Regis altes Laub von den Wurzeln. Er war nackt bis zur Hüfte. Seine Füße staken in hölzernen Pantinen. Ein feuchtes Schweißtuch war um seine Stirn gebunden, und darüber sah man sein ungekämmtes Haar.
    Der Geruch der Äpfel war süß und leicht angegoren. Danilo reckte sich langsam, nahm ein Stück Fallobst auf und biß gedankenverloren hinein. Regis beobachtete ihn einen Moment lang. Danilo sah müde aus, gedankenvoll, und wenn schon nicht zufrieden, dann doch durch die harte körperliche Arbeit und die warme Sonne friedlich und ruhig.
    »Dani?« sagte Regis schließlich, und der Junge fuhr zusammen, ließ den Apfel fallen und stolperte über die Harke, als er sich umwandte. Regis wußte nicht, was er sagen sollte.
    Danilo trat einen Schritt auf ihn zu. »Was willst du denn hier?«
    »Ich war auf dem Weg zu meiner Schwester. Ich habe hier eine Rast eingelegt, um deinen Vater zu begrüßen und um zu sehen, wie es dir geht.«
    Er sah, wie Danilo förmlich kämpfte zwischen dem Impuls, ihm die höfliche Geste ins Gesicht zurückzuschleudern – was hatte er schon zu verlieren? –, und dem eingeübten Ritual der Höflichkeit. Schließlich sagte er: »Mein Haus und ich stehen zu Euren Diensten, Lord Regis.« Seine Höflichkeit war fast bis zur Karikatur übertrieben. »Wie ist der Wille meines Herrn?«
    Regis antwortete: »Ich möchte mit dir reden.«
    »Wie Ihr seht, mein Herr, bin ich sehr beschäftigt. Aber ich stehe Euch gänzlich zu Verfügung.«
    Regis ignorierte die Ironie und nahm ihn beim Wort.
    »Dann komm her und setz dich«, sagte er und nahm auf einem umgefallenen Baumstamm Platz, der schon sehr lange dort liegen mußte, weil er über und über mit Flechten bedeckt war. Still gehorchte Danilo und setzte sich so weit entfernt nieder, wie es der Stamm erlaubte.
    Nach einem Moment sagte Regis: »Ich möchte, daß du eines weißt: Ich habe keine Ahnung, warum man dich aus der Wache hinausgeworfen hat, oder besser, ich weiß nur, was ich an jenem Tag gehört habe. Aber daraus, wie sich jeder benahm, könnte man glauben, daß ich dir die Schande für etwas überließ, das ich selbst begangen habe. Warum? Was habe ich getan?«
    »Du weißt …«, begann Danilo und trat mit der Spitze seiner Pantine gegen einen herabgefallenen Apfel. Er zerplatzte mit einem leiseklatschenden Geräusch. »Es ist vorbei. Was immer ich getan habe, dich zu beleidigen, ich habe dafür bezahlt.«
    Und dann blitzte für einen Moment die Übereinstimmung, das Bewußtsein, das Danilo in Regis erweckt hatte, wieder zwischen ihnen auf. Er konnte Danilos Verzweiflung und Kummer spüren, als sei es sein eigener. Er sagte mit vor Schmerz rauher Stimme: »Danilo Syrtis, sag mir, was du gegen mich hast, und ich werde es bestätigen oder verneinen. Ich habe versucht, nicht schlecht von dir zu denken, auch nicht in der Schande. Aber du hast mich beschimpft, als ich nur Freundschaft im Sinn hatte, und wenn du über mich oder irgendeinen meiner Verwandten Lügen verbreitet haben solltest, dann verdienst du alles, was man dir angetan hat, und du hast dann immer noch etwas mit mir zu regeln.« Ohne es zu merken, war er auf die Füße gesprungen, und seine Hand war zum Schwertgriff gefahren.
    Danilo stand trotzig auf. Seine grauen Augen, die unter den dunklen Brauen wie geschmolzenes

Weitere Kostenlose Bücher