Hauch der Verdammnis
zu den Türen, die zu den Untersuchungszimmern führten. »Sie kommt gleich. Erste Tür links.«
Fünf Minuten später erschien Laura Hatcher. Sie war nicht viel größer als einen Meter fünfzig, wog bestimmt nicht mehr als sechsundvierzig Kilo und sah wie eine Zwölfjährige aus. Aber Olani hatte oft genug mit ihr zu tun gehabt, um zu wissen, dass sich hinter dieser zierlichen, ja fast kindlichen Fassade eine abgebrühte, ausgezeichnete Pathologin verbarg.
»Und, was ist mit Kioki Santoya?« fragte Olani sofort. »Irgendeine Ahnung, woran er gestorben ist?«
Laura Hatcher schlug ein Clipboard mit Metalldeckel auf und ging ein paar Seiten durch, bis sie gefunden hatte, was sie suchte. »Nun, ich kann Ihnen sagen, woran er nicht gestorben ist. Äußerliche schwere Verletzungen gab es kaum - nur eine Abschürfung an der linken und eine allerdings ziemlich tiefe Schnittwunde an der rechten Hand.«
»Die habe ich gesehen. Sah aus wie die Art Wunde, die man sich eher durch ein Stück zerbrochenes Glas als durch einen Messerstich zuzieht.«
Laura Hatcher nickte. »Das sehe ich auch so. Und sie war auch nicht so tief, dass er daran verblutet wäre.«
»Was ist mit Alkohol?« fragte der Polizist. »Manche von diesen Kids trinken Mengen ...«
»Daran habe ich auch gleich gedacht. Nichts.«
»Und wie lautet Ihre These? Dass er einfach so gestorben ist? Jungen in seinem Alter kriegen doch keinen Herzanfall, oder?«
»Nun, das kommt auch vor, aber in seinem Fall deutet nichts darauf hin. Das einzige, was nicht ganz normal aussah, war seine Lunge, aber solange ich die Resultate aus dem Labor nicht habe, kann ich auch nicht sagen, ob sein Tod etwas mit seiner Lunge zu tun hatte.« Sie breitete die Arme aus. »Ich wünschte, ich könnte Genaueres sagen, aber bis jetzt weiß ich selbst nicht viel. Ich habe auch an einen Virus gedacht - eines der neuen Biester, die vor kurzem aufgetaucht sind -, aber auch für diese Annahme spricht nichts. Er scheint bis zu seinem Tod völlig gesund gewesen zu sein. Seine Mutter bestätigt das.«
»Also auch in diese Richtung nichts?« Olani seufzte.
Hatcher nickte. »Tut mir leid, mehr weiß ich bis jetzt auch nicht.« Sie warf einen Blick auf ihre Notizen. »Übrigens, sagen Ihnen die Namen Rick Pieper, Josh Malani und Jeff Kina irgendwas?«
»Mit Kina hat es ein- oder zweimal Ärger gegeben. Er ist groß und kräftig und provoziert gerne mal haoles. Und Josh Malani mimt den harten Mann, aber das ist nur Show. Warum?«
»Alice Santoya hat gesagt, dass ihr Sohn gestern abend mit diesen drei Jungs unterwegs war. Er hat auf ihren Anrufbeantworter gesprochen, er ginge mit ihnen ins Kino. Je nach dem, was für Ergebnisse aus dem Labor kommen, wird vielleicht jemand mit ihnen reden wollen.«
Cal Olani schrieb die Namen in sein Notizbuch. Vielleicht würde er einfach mal bei der Schule vorbeischauen und sich mit den drei Jungen unterhalten.
Zehn Minuten, nachdem Olani sein Gespräch mit Laura Hatcher beendet hatte, betrat ein Mann das kleine Zimmer, das dem Krankenhaus als Leichenhalle diente. Nachdem er sich davon überzeugt hatte, dass ihn niemand gesehen hatte, verschloß er die Tür und zog das Schubfach mit den sterblichen Überresten Kioki Santoyas heraus. Das war das Schlimmste an seinem Job als Krankenpfleger - mit Toten zu tun zu haben. Der Rest des Jobs hatte Elvis Dinkins nie etwas ausgemacht - ob es nun um das Wechseln der Laken oder das Leeren der Bettpfanne ging.
Auch Kranke machten ihm nichts aus.
Aber Tote ...
Trotz seines Ekels vor der Leiche - oder vielleicht gerade deswegen - konnte Elvis Dinkins seinen Blick nicht von Kioki Santoyas Gesicht abwenden. Die Augen des Jungen waren geöffnet, und seine Züge wirkten aufgedunsen. Der Mund war ebenfalls geöffnet, und Elvis hatte den Eindruck, als sei die Zunge des Jungen angeschwollen. Sein Magen drehte sich fast um, als er sah, dass Dr. Hatcher eine kleine Scheibe abgeschnitten hatte, um sie ins Labor zu schicken.
Während er sich die chirurgischen Handschuhe überstreifte, die er aus dem Waschraum entwendet hatte, fragte sich Elvis, ob er nicht auch ein Stück der Zunge abschneiden sollte. Aber das würde bedeuten, dass er in den Mund des Jungen greifen musste, und er war sich keinesfalls sicher, ob er dazu in der Lage war.
Es würde ihm schon schwer genug fallen, ein Stück Gewebe aus der Wunde zu entnehmen, die Dr. Hatcher geschnitten hatte, als sie den Leichnam des Jungen für die Autopsie öffnete. Elvis
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