Hauch der Verdammnis
ihn!
Instinktiv duckte sich Michael wieder in die Felsspalte, aber sogleich erkannte er, in welcher Falle er steckte. Wenn sie wussten, wo er sich verbarg, blieb ihm hier keine Fluchtmöglichkeit.
Er stürzte hinaus in die Dunkelheit und blieb einen Augenblick zitternd in der Nachtkälte stehen. Dann vergaß er die Kälte. Er musste an anderes denken.
Flucht.
Er bewegte sich schnell, viel schneller als bei seinem Hinweg, bog kurz hinter dem Eingang zur Felsspalte ab und schlängelte sich durch das dichte Blattwerk des Regenwaldes, bis er hundert Meter hinter der Lichtung, auf der die Arbeitstische standen, wieder den Fahrweg erreichte.
Noch immer konnte er die Stimmen hören, aber sie kamen nicht näher, sondern entfernten sich. Er wusste, dass sie sich auf die Stelle zu bewegten, wo er sich noch vor wenigen Minuten aufgehalten hatte.
Er überlegte nicht lange, sondern drehte sich um und lief davon, so schnell er konnte, trotz der Dunkelheit.
Als er wieder zu dem Zaun kam, kletterte er darüber, ebenso schwang er sich kurz darauf über das Tor; dann lief er weiter. Seine Beine bewegten sich in gleichmäßigem Rhythmus, seine Füße verursachten kaum ein Geräusch, während sie über den Weg flogen. Er gelangte zu dem Pfad, der nach rechts abzweigte, aber er lief weiter. Erst später verließ er den Weg, kletterte am Berg entlang und kehrte erst wieder zum Pfad zurück, als er nur noch wenige Meter von dem Punkt entfernt war, wo er die Straße verlassen hatte.
Aber wann war das gewesen?
Er hatte keine Ahnung.
Mit einemmal fühlte er sich müde und erschöpft. Seine Oberschenkel brannten, und seine Knie und Knöchel taten weh, als wäre er stundenlang gelaufen. Er japste, und als er stehenblieb, um wieder zu Atem zu kommen, lauschte er.
Nichts.
Wieder war er allein in der Nacht.
Als er die schmale Straße verließ, die durch den Eukalyptuswald führte, sah Michael seine Mutter. Sie stand auf der Veranda und hatte noch immer ihren dünnen weißen Bademantel an. Erst in diesem Augenblick verstand er, warum er beim Aufwachen so in Panik geraten war.
Er hatte durchaus keine Geistererscheinung aus seinem Traum gesehen.
Es war nur seine Mutter gewesen, die das Licht eingeschaltet hatte.
Wie hatte er nur so dumm sein können!
Er holte tief Luft, trat aus dem Wald hinaus und in den Lichtkreis, der sich von der Veranda über die Lichtung erstreckte.
Katharines Augen weiteten sich. Sie öffnete den Mund. »Michael? Mein Gott, Michael, ist alles in Ordnung?« Sie kam auf ihn zugelaufen. »Michael, was ist passiert? O Gott, ich hatte solche Angst. Als du aus dem Fenster bist ...«
»Mir geht es gut, Mom«, beruhigte er sie. »Ich habe nur ... ich weiß auch nicht... es war so seltsam, und ...« Sie standen auf der Veranda, und seine Mutter hielt ihn am Arm. »Es tut mir wirklich leid«, sagte er.
Katharine zog Michael ins Haus und betrachtete ihn ängstlich. »Bist du sicher, dass es dir gutgeht?« fragte sie noch einmal. »Ich habe mir solche Sorgen gemacht. Du klangst, als könnest du kaum atmen, und dann bist du plötzlich verschwunden ...«
Michael machte sich von ihr los. »Ich komme mir wirklich dämlich vor«, sagte er, ließ sich auf das Sofa fallen und sah zu ihr hinauf. »Du wirst sauer auf mich sein.«
Katharine sank in den Sessel gegenüber. »Erzähl mir einfach, was passiert ist.«
Er versuchte ihr von dem Alptraum zu berichten, doch das meiste hatte er bereits wieder vergessen. Aber er erinnerte sich an das, was er gesehen hatte, als die Angst ihn aus dem Schlaf gerissen hatte. »Du warst es«, sagte er. »In deinem Morgenmantel. Ich war irgendwie noch nicht wach, und in dem Mantel sahst du aus wie eine der Gestalten aus meinem Traum.«
»Das ist ja verrückt«, meinte Katharine. »Und ich wollte dir helfen. Ich konnte ja nicht ahnen ...«
»Ist ja egal, Mom«, sagte Michael. »Es tut mir wirklich leid, dass ich dir solchen Kummer gemacht habe.«
»Aber wo warst du?« fragte Katharine.
Sollte er ihr die Wahrheit sagen? Aber wie konnte er? Er hatte ja selbst kaum begriffen, was er getan hatte. Plötzlich kam es ihm fast unmöglich vor, dass er nicht nur den Weg gefunden hatte, von dem Josh ihm erzählt hatte, sondern auch noch einem unmarkierten Pfad bis zur Ausgrabungsstelle selbst gefolgt war.
Und was war mit den Leuten, die nach ihm gesucht hatten? Mit einemmal wusste er, wer sie waren und woher sie gewusst hatten, dass er da war.
Die Grabungsstelle lag auf Takeo Yoshiharas Besitz, und
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