Hauch der Verdammnis
dort waren bestimmt überall Alarmanlagen.
Sie mussten ihn von dem Augenblick an beobachtet haben, als er über das Tor geklettert war. Und wenn sie ihn erwischt hätten ...
Dann hätte seine Mom womöglich ihren Job verloren!
Aber sie hatten ihn nicht erwischt - er war davongekommen.
Er traf eine Entscheidung.
»Ich bin eigentlich nirgendwo hin«, sagte er. »Als ich schließlich aufwachte - ich meine, wirklich zu mir kam -, lag ich in einem Feld.« Er zögerte. »Und irgendwie fand ich es ganz witzig, dort draußen zu sein, mitten in der Nacht. Ich habe die Sterne angesehen, und dabei bin ich wahrscheinlich wieder eingeschlafen.« Nahm sie ihm das ab? Schwer zu sagen. »Du bist sicher ziemlich wütend auf mich, was?«
Katharine holte tief Luft und seufzte laut. »Ich weiß nicht«, sagte sie schließlich. »Ich habe mir solche Sorgen gemacht, weil du so komisch geatmet hast, und als du nicht zurückgekommen bist...« Sie schüttelte den Kopf. »Und es geht dir wirklich gut?«
»Aber ja«, antwortete Michael.
»Wenn es dir gutgeht, warum fiel dir dann das Atmen so schwer?« fragte Katharine, deren Angst sich langsam in Zorn verwandelte. »Hast du eine Vorstellung, wie oft ich schon den Hörer in der Hand hatte, um die Polizei anzurufen?«
Michael unterdrückte ein Stöhnen.
»Aber ich habe es nicht getan«, fuhr Katharine fort.
»Ich habe mir immer wieder gesagt, dass du kein kleiner Junge bist und dass ich aufhören muss, dich zu behandeln, als wärst du immer noch krank.« Sie sah ihn an. »Also habe ich nicht angerufen. Statt dessen habe ich hier gesessen und mich halb zu Tode geängstigt.«
»Es tut mir wirklich leid, Mom«, wiederholte Michael. »Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ich ...«
»Sag gar nichts«, unterbrach ihn seine Mutter. »Versprich mir nur, dass wir morgen früh zum Arzt gehen, okay?«
Scheinwerferlicht drang durch die Fenster. »Ich dachte, du hättest niemanden angerufen.« Michael stand auf und eilte in sein Zimmer. Plötzlich war es ihm peinlich, dass ihn jemand in Unterwäsche sehen könnte.
»Ich habe nicht die Polizei gerufen«, sagte Katharine. »Aber mit irgend jemandem musste ich sprechen.«
Eine Autotür wurde zugeschlagen, und kurz darauf erschien Rob Silver vor der Haustür. »Ich habe es mir überlegt«, begann er. »Wir sollten vielleicht doch besser die Polizei anrufen. Wenn er dort draußen ...«
»Er ist wieder da«, unterbrach ihn Katharine. »Er ist vor ungefähr fünf Minuten wieder aufgetaucht. Aber morgen früh gehe ich mit ihm zu einem Arzt.«
Rob nickte. »Ich rufe morgen als erstes Stephen Jameson an. Er ist der beste Arzt auf der Insel. Er arbeitet für Takeo Yoshihara.«
KAPITEL 17
»Er wird lediglich sagen, dass ich völlig gesund bin, und dann stehst du wirklich da wie eine Glucke«, brummte Michael. »Warum setzt du mich nicht einfach an der Schule ab?«
»Falls es dir noch nicht aufgefallen ist«, entgegnete Katharine streng, »wir fahren in die entgegengesetzte Richtung. Und was meine Rolle als Glucke betrifft, scheinen wir einfach unterschiedlicher Meinung zu sein. Vor dem Hintergrund deiner Krankengeschichte sind deine Atembeschwerden von gestern abend meiner Meinung nach genügend Anlaß zur Sorge. Und da auch Dr. Jameson dieser Meinung ist, wäre die Sache damit erledigt.«
Der Streit schwelte seit dem Frühstück. Rob Silver hatte den Rest der Nacht auf dem Sofa der Sundquists zugebracht, am Morgen dann Stephen Jameson angerufen und Katharine den Hörer gereicht. Michael hatte schweigend zugehört, als sie einen Termin mit ihm ausgemacht hatte. Vielleicht hatte ihn gestern jemand auf Yoshiharas Gelände gesehen, und vielleicht würde dieser Jemand ihn heute morgen wiedererkennen. Denn schließlich hatten die Wachtposten irgendwie erfahren, dass er letzte Nacht dort gewesen war. Und dann hatten sie ihn gesucht.
Was wäre, wenn sie Fotos von ihm besaßen?
Es gab Kameras, mit denen man im Dunkeln gut fotografieren konnte, selbst bei weitaus schlechteren Lichtverhältnissen als letzte Nacht.
Aber wenn sie Bilder hätten, wären sie dann nicht zur Polizei gegangen?
Obwohl er alles mögliche versucht hatte, um seiner Mutter den Arztbesuch auszureden, und wusste, dass er sich mittlerweile auf ziemlich dünnem Eis bewegte, versuchte er es ein letztes Mal. »Da vorn hält der Schulbus«, sagte er und deutete auf ein gelbes Schild hundert Meter weiter am Straßenrand. »Du läßt mich einfach raus ...«
»Ich lasse dich nicht raus,
Weitere Kostenlose Bücher