Hauch der Verdammnis
ab. Er hatte zuviel Angst vor der Entdeckung, wo er sein oder was in seiner Nähe sein könnte, um sich durch eine schnelle Bewegung zu verraten.
Doch er sah nichts.
Schließlich wagte er es. Er öffnete beide Augen und blickte starr nach oben.
Sein Gehirn verarbeitete die Daten, die seine Augen, seine Ohren und seine Nase sammelten, und suchte nach dem unbekannten Feind, der möglicherweise in diesem Brodem lauerte.
Warum schmerzten seine Augen nicht?
Warum brannten sie nicht, warum tränten sie nicht, obwohl er von Rauch umhüllt war?
Er wusste es nicht.
Er lag da, ohne sich zu rühren, und bewegte nur die Augen.
Nichts, was er sah, hörte oder roch, deutete auf die Anwesenheit eines anderen Lebewesens hin.
Und doch fühlte er sich beobachtet.
Er wusste es genau, selbst ohne dieses Gefühl zu kennen. Auch wenn ihm seine Sinne nichts verrieten, das Kitzeln auf seiner Haut und seine angespannten Nerven verrieten es ihm.
Dann sah er es.
Es befand sich hoch über ihm, rechts von ihm.
Eine Kamera.
Er starrte in die Linse wie ein Wolf in das Zielfernrohr eines Gewehrs.
Während er die Kamera im Auge behielt, machte er sich langsam bereit. Jede Bewegung vollzog sich so geschmeidig, dass sie kaum wahrnehmbar schien.
Hätte er im Gras gelegen, so hätte sich kaum ein Halm bewegt.
Er blickte auf die Kamera und wartete. Er spannte die Muskeln an.
Dann sprang er, stieß sich wie eine Katze vom Boden ab und streckte die Arme aus. Seine langen Beine katapultierten ihn in die Höhe.
Den Bruchteil einer Sekunde später prallte er gegen eine unsichtbare Mauer.
Er stöhnte auf und fiel zurück auf den Boden. Schmerzen schossen durch seine rechte Hüfte und sein linkes Knie, als er auf die ebene Fläche unter ihm schlug.
Regungslos wartete er, bis der Schmerz nachließ. Dann richtete er sich langsam auf und begann sich vorsichtig zu bewegen. Er streckte die Hände aus und tastete.
Er befand sich in einer Art Kasten.
Einem großen durchsichtigen Kasten, der sich nicht kalt anfühlte.
Plexiglas.
Der dichte grau-braune Nebel hatte ihm bislang die Sicht genommen, aber jetzt, da er sich bewegte, konnte er es nicht nur fühlen, sondern auch erkennen.
Er war gefangen, eingesperrt in diesem Kasten, der weder Eingang noch Ausgang zu haben schien - abgesehen von zwei Schläuchen, durch welche die nebelartige Substanz wirbelte, und einem kleinen Luftschacht mit einer Tür auf jeder Seite.
Die innere Tür konnte er öffnen, nicht jedoch die äußere.
Eingesperrt wie ein wildes Tier.
Und auf die beiden Männer, die beobachteten, was die Kamera aufnahm, machte er auch den Eindruck eines wilden Tieres.
Eines Raubtiers, das in seinem Käfig auf- und abging.
Michael, der zum Lunch in die Cafeteria gehen wollte, schloß gerade sein Fach ab, als er die Stimme hinter sich hörte.
»Ich weiß nicht, wie es dir geht, aber ich kriege langsam Schiß.«
Michael wusste, wovon Rick sprach. Auch er hatte sich immer mehr Sorgen gemacht, als Josh nicht einmal in der Pause nach der zweiten Stunde aufgetaucht war. Auch nach der Nachricht von Jeffs Verschwinden hatte er irgendwie erwartet, den großen Hawaiianer unter dem Banyanbaum zu sehen, wo sich das Laufteam stets traf. Aber als Jeff nicht gekommen war...
»Hast du versucht, Jeff anzurufen?« fragte er, als sie zur Cafeteria gingen.
Rick nickte. »Ich habe mit seiner Mutter gesprochen, vor der dritten Stunde. Sie sagte, er sei gestern abend um neun Uhr aus dem Haus gegangen und nicht wiedergekommen. Um vier habe sie dann die Polizei angerufen.«
Michael blieb vor der Cafeteriatür stehen und wartete, bis die Schüler hinter ihnen vorbeigegangen waren. »Vielleicht sollten wir sie auch anrufen«, sagte er. »Ich meine, nach dem, was mit Kioki passiert ist ...«
»Wir wissen doch gar nicht, was mit Kioki passiert ist«, entgegnete Rick.
»Und was ist, wenn jemand gesehen hat, wie wir vorgestern abend in den Tauchladen eingebrochen sind?« fragte Michael. Er suchte nach einer Erklärung für das, was mit Kioki passiert war, und nach einer Erklärung für das Verschwinden von Josh und Jeff. »Ich meine, vielleicht hat jemand dem Besitzer verraten, dass wir es waren.«
Rick sah ihn überrascht an, dann schüttelte er den Kopf. »So etwas würde Ken Richter nicht tun.«
»Woher willst du das wissen?« fragte Michael. »In New York ...«
»Wir sind hier nicht in New York«, unterbrach ihn Rick. »Wenn Ken überhaupt etwas tun würde, dann höchstens die Cops informieren,
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