Hauch der Verdammnis
»Gerade mal siebzehn. Es ist zu traurig.«
»Bitte, Myrtle, wir wissen doch gar nicht, was passiert ist«, begann Fred, aber erneut schnitt ihm Myrtle mit einer Geste das Wort ab.
»Natürlich wissen wir, was passiert ist«, sagte sie. »Es kommt immer häufiger unter Teenagern vor. Selbstmord. Ich habe im Time Magazine einen Artikel darüber gelesen.« Sie sah Olani an. »Seine Kleider liegen am Strand«, sagte sie. »Zumindest nehme ich an, dass es seine Kleider sind. Sonst ist niemand in der Nähe. Und die Brieftasche haben wir genau so wieder auf den Vordersitz gelegt, wie wir sie gefunden haben«, fügte sie hinzu, als der Polizist durch das offene Fenster in den Truck sah.
Eine abgewetzte Brieftasche lag auf dem Fahrersitz, und der Schlüssel steckte, wie die Frau gesagt hatte. Olani nahm die Brieftasche und sah sich den Führerschein an.
Josh Malani.
Ansonsten enthielt die Brieftasche ein paar Dollarnoten, einen Schülerausweis, ein paar zerknitterte Fotos und ein paar Zettel mit den Namen von Mädchen und Telefonnummern.
Cal Olani ging an den Strand und gelangte zu dem Kleiderhaufen, den Myrtle beschrieben hatte. Verwaschene Jeans, ein T-Shirt, Jockey-Shorts, Socken und Schuhe.
Die Jeans lagen unten, darüber das T-Shirt und die Unterwäsche und zuoberst die Schuhe und die umgedrehten Socken.
Sehr ordentlich!
Fast penibel.
Und das sah Josh Malani nach dem, was der Polizist von ihm wusste, keineswegs ähnlich.
Es sei denn, er hätte etwas damit sagen wollen.
Schweigend ging Olani zum Pick-up zurück. Hinter dem Fahrersitz lag ein nicht ganz trockenes Handtuch, das um eine ebenfalls noch nicht ganz trockene Badehose gewickelt war.
Hätte er die Sachen nicht mitgenommen, wenn er vorgehabt hätte, schwimmen zu gehen?
Aber wenn er, wie Myrtle Hooper angedeutet hatte, ins Wasser gehen und nicht mehr herauskommen wollte, dann hätte er in der Tat auch das Handtuch nicht gebraucht.
Er durchsuchte den Pick-up, um vielleicht so etwas wie einen Abschiedsbrief zu finden, auch wenn er nicht daran glaubte. Josh war immer ein bißchen zu spontan, zu wild gewesen, um nun einen Abschiedsbrief zu hinterlassen. Und eigentlich war er auch nicht der Junge, der Selbstmord beging, selbst wenn alles danach aussah.
Er ging zum Strand zurück, wo Myrtle Hooper mit selbstzufriedener Miene auf ihn wartete. Cal Olani fand es abstoßend, dass sie offensichtlich mehr daran interessiert war, ihre Vermutung bestätigt zu finden, als daran, was tatsächlich mit dem Siebzehnjährigen geschehen war.
»Da sind Fußspuren«, sagte Fred. »Wir haben darauf geachtet, sie nicht zu zertreten.«
Olani betrachtete den Boden. Von dem Kleiderhaufen führte eine einzelne Fußspur bis zum Wasser, wo sie von der heute sanften Brandung weggewaschen worden war. Er hielt sich die Hand über die Augen und schaute auf den in der Sonne glitzernden Ozean hinaus, auf der Suche nach irgendeinem Zeichen. Aber er sah nichts, keinen Schwimmer, keinen Josh. Nicht, dass er damit gerechnet hätte. Wie es aussah, war Josh tot.
»Es ist heute hart für die Kids«, sagte Fred Hooper, der mit Olani auf das Meer hinaussah. »Anders als damals, als wir jung waren. Wir brauchten uns um nichts Sorgen zu machen. Wir wuchsen heran, gründeten eine Familie, gingen in den Ruhestand und machen Ferien an schönen Orten wie diesem hier. Aber was haben die Kids von heute denn? Drogen, Gangs, und sie schießen auf einen, wenn man nur einfach die Straße entlang geht.« Er schwieg einen Augenblick und fügte dann hinzu: »Ich wünschte, wir wären ein bißchen früher hierher gekommen. Vielleicht hätte es schon geholfen, wenn er jemanden zum Reden gehabt hätte.«
Cal Olani legte dem Mann eine Hand auf die Schulter. »Vielleicht«, sagte er. Aber während er die Stelle am Strand absperrte, damit die Neugierigen, die sein Polizeiwagen bereits angelockt hatte, die Spuren nicht zertrampelten, bevor seine Kollegen kamen, fragte er sich, ob Reden wirklich geholfen hätte.
Noch gestern hatten Josh Malani und seine Freunde so getan, als gäbe es nicht das Geringste zu reden.
Heute war Kioki Santoya tot, Jeff Kina wurde vermißt, und Josh Malani hatte sich allem Anschein nach ertränkt.
Was, zum Teufel, ging hier vor?
KAPITEL 21
Erwartungsfroh kehrte Katharine Sundquist auf Takeo Yoshiharas Anwesen zurück. Sie war überzeugt davon, dass sie nicht nur den Schlüssel zu den verschwundenen Computerdateien in Händen hielt, sondern auch den zur Erklärung des
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