Hauch der Verfuehrung
Umständen möchte ich unverzüglich mit dem Porträt anfangen. Je eher ich mir darüber im Klaren werde, was ich aufzeigen muss, und mich entscheide, wie ich es am geschicktesten anfange, desto besser.«
Desto eher wäre Jacqueline vom Gespenst des Todes ihrer Mutter befreit. Desto eher wäre auch er frei. Allerdings konnte er nicht sagen wovon, was genau es war, das ihn in seinem Griff hielt, seit Lord Tregonnings Erpressung ihn an diesen Ort geführt hatte.
Als sie sein Zimmer verließen, warf Barnaby ihm einem Blick zu. »Dann bist du also entschlossen, es zu tun - das Porträt zu malen und auf diese Weise die Suche nach dem Mörder einzuleiten?«
»Ja.« Sie gingen über den Flur; Gerrard schaute Barnaby an. »Warum fragst du?«
Barnaby sah ihn ebenfalls an, war dieses eine Mal aber todernst. »Weil, mein lieber Junge, du mich in diesem Fall tatsächlich brauchen wirst, um dir Rückendeckung zu geben.«
Sie waren an den Stufen angekommen; ein Geräusch in der Halle lenkte ihre Aufmerksamkeit nach unten. Jacqueline, die von ihrer Anwesenheit nichts ahnte, durchquerte auf dem Weg zum Frühstückssalon das Foyer. Sie verschwand in dem Moment aus ihrem Blickfeld, als sie beide gleichzeitig den Fuß auf die erste Stufe gesetzt hatten.
»Und natürlich«, überlegte Barnaby halblaut, »muss jemand auch Miss Tregonnings reizendem Rücken Deckung geben.«
Gerrard erkannte wohl, wenn er aufgezogen wurde, wusste, er sollte der Versuchung besser widerstehen, eine Antwort zu geben. Doch da hörte er sich auch schon sagen, und zwar viel zu entschieden, als dass es missverständlich gewesen wäre: »Das kannst du getrost mir überlassen.«
Unterdrückte Erheiterung klang aus Barnabys Worten. »Mir war klar, dass du das so sehen würdest.«
Einen Augenblick später jedoch, als sie die letzte Stufe erreicht hatten, blickte Barnaby ihn an, und alle Belustigung war verflogen. »Neckereien einmal beiseite, Junge, wir müssen wachsam sein. Ich habe bis jetzt noch nicht mehr herausgefunden, aber ich habe ausreichend erfahren, um zu der Überzeugung zu gelangen, dass hier etwas sehr Merkwürdiges vor sich geht.«
Er wollte unverzüglich anfangen, Skizzen von ihr zu zeichnen, aber ...
»Es tut mir so schrecklich leid.« Leise Röte färbte Jacquelines Wangen. »Gestern Abend hat mich Giles Trewarren für heute Morgen zu einem Ausritt mit ihm und ein paar Bekannten nach St. Just eingeladen - ich habe ihm gesagt, ich würde mich mit ihm am Ende der Auffahrt treffen.«
Gerrard konnte ihrem Blick entnehmen, dass ihre Diskussion gestern Nacht - alles, was sie versprochen hatte im Gegenzug für seine Einwilligung, sie zu malen - ihr lebhaft vor Augen stand; es tat ihr wirklich leid, dass sie Giles’ Einladung angenommen hatte.
Im Lichte dieses Wissens schluckte er den Drang hinunter, einen künstlerischen Wutanfall zu bekommen und darauf zu beharren, dass sie den Tag mit ihm verbrachte, durch das Haus und die Gärten schlenderte, während er sie aus der Reserve lockte und all das aufs Papier bannte, was sich mit ein paar Bleistiftstrichen einfangen ließ. Das war die allererste Phase der Vorbereitungen: Zahllose Skizzen waren erforderlich, ehe er sich sicher sein konnte, dass er den richtigen Platz, die richtige Pose und, was noch wichtiger war, den richtigen Gesichtsausdruck für das Porträt gefunden hatte, das er schaffen wollte.
Ihre Begeisterung und Entschlossenheit waren wichtig; und er wollte sich mit aller Kraft dieser Aufgabe widmen. Trotz des beträchtlichen Erfolges seiner Porträts von den Zwillingen war er überzeugt, dass das Porträt von Jacqueline diese Gemälde übertreffen würde. Es würde das Beste werden, was er bis zum heutigen Tag vollbracht hatte. Und es juckte ihn nicht nur in den Fingern - seine Fingerspitzen brannten schier vor Verlangen, sich einen Stift zu nehmen und anzufangen.
»Ich hoffe, das macht Ihnen nichts aus.«
In ihren haselnussbraunen Augen stand ernsthaftes Bedauern. Er seufzte innerlich. »Vielleicht könnten Mr. Adair und ich Sie und die anderen begleiten - wenn es Sie nicht stört?«
Sie lächelte ehrlich erleichtert. Vielleicht sogar ehrlich erfreut? »Das wäre perfekt. Sie haben noch nicht viel von der Umgebung gesehen, und St. Just ist die nächste Stadt.«
Barnaby war auch zufrieden, mitzukommen - und Gelegenheit zu erhalten, mit anderen Leuten von hier zu sprechen und vielleicht noch etwas Neues über die rätselhaften Vorgänge zu erfahren. Nach dem Frühstück trafen
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