Hauchnah
Kanonenschuss.
„Wenn sie mit Alex gemeinsame Sache gemacht haben, dann sind sie diejenigen, die versucht haben, dich umzubringen.“ Natalie hörte Kleider rascheln. Einen Reißverschluss, der hochgezogen wurde. Mac zog sich an, und sie war noch nackt. Im Gegensatz zu vorher, als sie die Schokolade aus der Truhe geholt hatte, war ihre Nacktheit ihr plötzlich unangenehm. Sie tastete nach dem Laken, um sich zuzudecken, während Mac weiterredete.
„Und du glaubst, ich würde dich mit einer Zielscheibe auf dem Rücken hingehen lassen? Dich oder irgendwen sonst?“
Eben noch war sie vor Aufregung ganz erhitzt, doch nun wurde ihr plötzlich kalt. „Ich brauche deine Erlaubnis nicht, wenn ich einen Gottesdienst besuchen will.“
„Mache keinen Machtkampf aus dieser Sache, Natalie. Der Ausgang würde dir nicht gefallen.“
„Du bist doch derjenige, der einen Machtkampf herausfordert!“ Sie wappnete sich mit ihrer aufsteigenden Wut. „Dadurch fühlst du dich wohl toll. Der starke, gefährliche Bulle, der immer vorgibt, was zu tun ist.“
„Du vergisst, dass du im Moment unter Polizeischutz stehst. Liz kommt hierher zurück.“ Seine Stimme klang ruhig. Distanziert. Das betonte nur noch, wie unbeherrscht sie sich fühlte. Nein, nicht nur fühlte – wie unbeherrscht sie wirklich war.
Nein, sie wollte Liz nicht mehr in ihrem Haus haben. Schon gar nicht nach dem, was sie und Mac miteinander getrieben hatten. „Ich brauche keinen Schutz. Ich bin blind, aber nicht hilflos.“
„Das hier hat nichts mit deiner Blindheit zu tun.“ Seine Distanziertheit war nicht mehr ganz so deutlich zu spüren.
Weil ihm klar ist, dass er lügt, dachte Natalie. „Das hier hat alles mit meiner Blindheit zu tun.“
„Weißt du, du hast recht. Für dich dreht sich alles um deine Blindheit.“
Sie fuhr zurück, als hätte er sie geschlagen. „Was zum Teufel soll das heißen?“
„Frag lieber nicht, es sei denn, du willst die Antwort wirklich hören.“
„Sag schon.“
Die Matratze senkte sich, als er sich neben Natalie setzte und sie sanft bei den Armen packte. „Du stellst alles, was dich betrifft, in Zusammenhang mit deiner Blindheit. Wo du wohnst. Wen du triffst. Was du tust. Und du tust übrigens gar nichts. Es sei denn, du gehst unnötige Risiken ein, um zu beweisen, dass deine Blindheit kein Problem ist. Dann wird im Handumdrehen aus der Eremitin eine Draufgängerin. Aus Stolz gehst du Risiken ein, und aus Angst versteckst du dich vor dem Leben.“
Sie riss sich heftig los und rutschte zur anderen Seite des Bettes. „Das ist nicht wahr.“ Sie kehrte ihm den Rücken zu und stellte die Füße auf den Boden. Doch sie stand nicht auf. Wollte nicht, dass er sah, wie sie auf der Suche nach einem Versteck herumwankte.
„Beweise es.“
Spontan reckte sie angesichts der Herausforderung in seinem Ton das Kinn vor. „Wie?“
„Indem du vernünftig bist und die Ermittlungsarbeiten den Profis überlässt.“
Sie verzog den Mund. „Den sehenden Profis, meinst du.“
„Das würdige ich keiner Antwort.“
„Damit hast du schon geantwortet“, schoss sie zurück.
„Und du benimmst dich genauso verrückt wie deine Mutter!“
Natalie fuhr zurück und wurde leichenblass. Bevor sie sich’s versah, war sie auf den Beinen. Sie verlor das Laken, als sie mit ausgestreckten Armen zwei Schritte vorwärts trat und mit den Handflächen die Wand ertastete. Sie schloss die Augen und lehnte die Stirn an die Wand. War sie nicht eben noch glücklich gewesen? Hatte sie sich in seinen Armen nicht heil und ganzgefühlt? Warum brach sie dann plötzlich entzwei? „Was weißt du von meiner Mutter?“
Mac war schon an ihrer Seite. „Entschuldige. Das hätte ich nicht sagen dürfen.“
„Nein. Aber das ist keine Antwort auf meine Frage.“
Er schwieg.
„Melissa?“ Das Gefühl, verraten worden zu sein, schwang in ihrem Tonfall mit.
„Sei nicht böse auf sie. Sie hat deine Mutter erwähnt, mir aber nichts von ihrer Geisteskrankheit erzählt. Das habe ich selbst herausgefunden.“
Als sie nichts sagte, berührte er ihren Arm, ließ jedoch die Hand sinken, als Natalie zusammenzuckte. „Die Geschichte deiner Mutter ist irrelevant für deine Persönlichkeit. Sie ist irrelevant für meine Gefühle für dich, Natalie. Melissa wollte nur eine gute Freundin sein. Mir berichten, was sie wusste, um dich zu schützen.“
„Vor wem zu schützen? Vor Alex Hanes? Während es im Grunde von Anfang an du warst, vor dem ich beschützt werden
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