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Hauchnah

Hauchnah

Titel: Hauchnah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Virna Depaul
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habe?“
    Ihr Blick ruhte fest in seinem. „Hast du sie getötet?“
    „Ich … ich … nein. Sie war dem Tod ganz nahe. Dessen bin ich mir sicher. Aber das Kind … ihr Kind …“
    Allison kniff die Augen zusammen, als plötzliches Verstehen in ihnen aufblitzte. „Sag’s mir.“
    Etwas brach in ihm auf, erlöste unmerklich seine Stimme und seine Muskeln aus der Erstarrung. Er krümmte die Finger und spürte, wie das Blut durch seine Adern rauschte. Ihn stärkte. Ihm Gefühle einhauchte, die er seit zwei Monaten nicht mehr erlebt hatte.
    Kraft. Mut. Hoffnung.
    Er hatte sich getäuscht. Allison wandte sich nicht von ihm ab. Ganz gleich, was geschah, sie würde zu ihm stehen. Sie würde seine Rettung sein.
    Er musste sich nur seiner Tat stellen und versuchen, wiedergutzumachen.
    Morrison sah dem Regen zu, der auf seine Windschutzscheibe fiel. Das leise Prasseln auf dem Glas irritierte ihn. Verursachte ihm ein Pochen in den Schläfen.
    Seine Haut fühlte sich gespannt an wie trockenes Leder. Der Regen draußen bot keinen Ausgleich für die Glut, die ihn von innen her verzehrte. Er nahm eine Hand vom Steuer und kratzte sich am Arm, kratzte, bis Blut floss. Immer wieder kniff er sich in seine Haut, stellte sich vor, draußen vom Regen durchnässt zu werden, wusste, dass seine teuren Anzüge die verräterischen Male verbergen würden.
    Mit jedem neuen Schmerz stellte er sich vor, ihr Schmerzen zuzufügen. Das erleichterte ihm das Atmen.
    Sie war sein Problem, eines, um das er sich schnellstens kümmern musste. Und er musste es persönlich tun.
    Trotz Morrisons Drohungen würde Clemmons nicht das Notwendige tun. Ihm hatte gegraut vor der Vorstellung, Morrison könnte Allison alles sagen, doch er hatte sich nicht umstimmen lassen. Morrison hatte es in seinen Augen gesehen. Clemmons war zwar ehrgeizig, doch ihm ging es nicht um Ruhm, Macht oder Geld, sondern darum, durch die Kunde von Gottes Liebe etwas zu erreichen. Er würde mit der Entscheidung ringen, was zu tun wäre, aber letztendlich würde ihn gerade Gottes Liebe mattsetzen.
    Das wusste Morrison. Weil er kein Narr war, auch wenn seine Frau ihn anders einschätzte. Seine Menschenkenntnis hatte ihn dahin gebracht, wo er jetzt war. Zugegeben, die Beziehungen von Shannons Familie hatten den Prozess beschleunigt, doch ohne ihn wäre Shannon nichts.
    Sie wäre nichts.
    Sie wäre nicht einmal Mutter.
    Aber war sie zufrieden? Fing sie an, ihm den gebührenden Respekt zu zollen?
    Nein. Sie hörte nicht auf zu nörgeln. Ihn zu verspotten.
    Sie fühlte sich nicht dafür verantwortlich, dass Morrison sich anderen Frauen, jungen Mädchen zuwenden musste, um etwas wie Sanftheit und Zuneigung zu erleben. Das bezeichnete sie als seine Schwäche. Sein Versagen.
    Doch er kannte die Wahrheit. Diese Mädchen waren seine Belohnung. Der Ausgleich für seine Ehefrau, dieses abscheuliche Miststück.
    Morrison nahm kurz die Hände vom Steuer und presste sie an die Schläfen, in dem Versuch, den Gedanken zu vertreiben. Er hatte Lauren – Lindsay – geliebt. Wirklich geliebt. Sie war so süß. Und vor allem hatte sie ihn geliebt. Sie wäre eine gute Ehefrau gewesen. Eine gute Mutter. Das glaubte er zumindest.Letztendlich hatte sie sich dann als genauso starrsinnig wie Shannon erwiesen. Sie hatte geglaubt, ihm Vorschriften machen zu können. Ihm vorschreiben zu können, was mit seinem Sohn geschehen sollte.
    Mit seinem Sohn. Nicht ihrem. Nicht Shannons. Sein Sohn.
    Er hatte ihr nichts Böses gewünscht. Ihren Tod hatte er schon gar nicht gewollt. Doch dann, als er Lauren sterben sah, ihr Blut fließen sah, da hatte er gewünscht, sie wäre Shannon.
    Ein Gefühl von Lust und Macht, wie er es noch nie verspürt hatte – nicht einmal, wenn er gewaltsam seine Frau nahm -, hatte ihn ergriffen.
    Und seitdem wartete er ab. Denn er brauchte sie noch. Doch eines Tages … Eines Tages …
    Das Hupen eines überholenden Fahrzeugs riss ihn aus seinen Gedanken. Er verriss das Steuer und verlor die Kontrolle über den Wagen. Er trat hart auf die Bremse, und der Motor ruckte protestierend, bevor er am Straßenrand zum Stehen kam.
    Morrison atmete ein paarmal tief durch, um sich zu beruhigen, bevor er den Wagen vorsichtig zurück auf die Straße steuerte.
    Er konnte Shannon jetzt noch nicht aus dem Weg räumen, doch er konnte sich die Fotografin – die Augenzeugin der Polizei – vornehmen. Das würde Shannon freuen. Sie würde sich wieder wohlfühlen, konnte sich wieder der Gemeinde und der Fürsorge

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