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Hauchnah

Hauchnah

Titel: Hauchnah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Virna Depaul
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Zumindest würde sie ihn nicht als Ungeheuer betrachten.
    Mit zitternden Händen nahm er die Pistole von ihrem Platz in der Schublade. Er hatte sie gekauft, als er mit Morrison aus Plainville zurückgekehrt war. Damals hatte er um sein Lebengebangt, doch bald schon war er wieder ruhig geworden. War erneut auf Morrison hereingefallen.
    Er drückte sich die Mündung unters Kinn und schloss ganz fest die Augen. Seine Hände zitterten so stark, dass das Metall ihm die Haut abschürfte, doch er versuchte den Schmerz zu ignorieren.
    Er biss sich auf die Lippe, bis er Blut schmeckte. Dann senkte er die Pistole mit einem gequälten Stöhnen.
    Ungeweinte Tränen brannten in seinen Augen.
    Feigling. Feigling. Feigling.
    Er schloss die zitternde Hand fester um die Waffe. Dieses Mal würde er es tun.
    „Clemmons.“
    Erschrocken blickte er auf. Er hätte schwören können, Allisons Stimme gehört zu haben. Sie sogar riechen zu können. Doch das war ausgeschlossen. Er hatte sie überredet, mit den Kindern ihre Eltern in San Diego zu besuchen. Er selbst hatte sie und die Jungen zum Flughafen gefahren.
    „Clemmons.“
    Clemmons fuhr zusammen und drehte sich um. Alle Muskeln waren angespannt. Und alle Muskeln verkrampften sich und zitterten, als er sie sah, das Gesicht locker umweht von ihrem schönen Haar. Er schluckte verkrampft. Er liebte es, wenn sie das Haar für ihn offen trug, besonders im Bett.
    Hastig legte er die Pistole wieder in die Schublade, froh, dass Allison sie nicht gesehen hatte. „Was machst du hier, Allison? Wo sind die Kinder?“
    Statt ihm zu antworten, trat sie einfach in sein Büro, schloss die Augen und senkte den Kopf. Sie legte eine Hand an die Wand, als müsste sie sich abstützen. Clemmons runzelte die Stirn und machte ein paar Schritte auf sie zu. Die Haut, die am Morgen noch so strahlend gesund ausgesehen hatte, wirkte fahl; dunkle Schatten lagen unter ihren Augen. Panik beschleunigte seinen Herzschlag. War sie krank? Oder hatte Morrison ihr schon …
    Schnell durchquerte er das Zimmer, griff unter Allisons Kinn, hob ihr Gesicht an und zwang sie, ihn anzusehen. Tränen standen in ihren Augen. „Was ist los?“
    Sie wich zurück, ging langsam zu seinem Schreibtischstuhl, setzte sich und lehnte den Kopf zurück, als hätte sie nicht mehr die Kraft, ihn zu halten. Clemmons folgte ihr und kniete sich neben sie auf den Boden. „Bist du krank? Sag mir, was los ist.“
    „Mein Mann hat mich verlassen.“
    Als er nichts sagte, sie nur weiterhin fassungslos ansah, hob sie den Kopf. Strich Clemmons mit zitternder Hand das Haar zurück. „Du glaubst, ich hätte es nicht gespürt? Wie geistesabwesend und sorgenvoll du bist? Ich habe gehofft, du würdest dich mir anvertrauen. Du würdest zu mir zurückkommen. Aber du hast es nicht getan. Und heute Morgen, als du uns so plötzlich abschieben wolltest, wusste ich, dass es so weit war. Du verlässt uns, nicht wahr? Du hast eine andere gefunden?“
    Er brauchte eine Minute, um zu begreifen, was sie da sagte. Er schüttelte den Kopf. „Nein!“ Er hob Allisons Hände an die Lippen und küsste sie mehrmals. Ehrfürchtig. „Wie kannst du so etwas annehmen? Du bist die Einzige für mich, Allison. Ich war nie, nicht ein einziges Mal, in Versuchung, fremdzugehen.“
    Allison entzog ihm ihre Hände, legte sie um sein Gesicht und sah ihm in die Augen. „Ich … ich glaube dir. Wirklich. Aber was ist es dann? Was hat dich so von uns entfernt?“
    Clemmons schloss die Augen, schmiegte sein Gesicht in ihre sanften Hände und genoss die Wirkung. Er hatte es nicht verdient, er hatte sie nicht verdient, doch er zog trotzdem Kraft aus ihrer Zärtlichkeit, auch wenn er vorausahnte, wie sie vor ihm zurückschrecken würde, wenn sie alles wusste. „Ich habe etwas Schreckliches getan, Ally“, sagte er mit erstickter Stimme. „Schreckliche Dinge. Ich habe alles besudelt, woran ich glaube, alles, was wir gemeinsam aufgebaut haben. Wie kann ich dir überhaupt noch in die Augen sehen?“
    „Indem du daran denkst, wie sehr ich dich liebe. Indem du daran denkst, wie sehr Gott dich liebt.“
    Er schüttelte den Kopf. „Ich sehe immer noch ihr Blut an meinen Händen … Laurens …“
    Sie atmete tief ein, und ihre Hände an seinem Gesicht zitterten. Doch ihre Stimme blieb fest. Ruhig. „Lauren. Das Mädchen aus der Gemeinde. Dessen Leiche die Polizei gefunden hat. Was ist passiert?“
    Blinzelnd schlug er die Augen auf. „Willst du nicht fragen, ob ich sie getötet

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