Haunted (German Edition)
unauffälliges Wohnhaus, in dem eine alte Witwe allein lebte. Diese Witwe, Mrs. Hernandez, war diejenige, die wegen des Daniels-Mordes angerufen hatte. Kurz danach hatte er mit ihr gesprochen, sie gefragt, was sie gesehen hätte, und sie war ihm wie eine nette alte Dame vorgekommen, aber er hatte die Befragung auf ihrer Veranda durchgeführt, weil er nicht in ihr Haus gehen wollte.
Das Haus jagte ihm Angst ein.
Das Komische war, dass ihm keine besondere Sache Angst einjagte. Nein, es war die gesamte Atmosphäre des Hauses, von der er Gänsehaut bekam, die ihn nervös machte. Nicht das, was hier passiert war, verängstigte ihn, sondern das, was hier passieren könnte . Wenn es in dieser Straße eine Quelle des Bösen gab, einen Ausgangspunkt, von dem alles andere ausging, war es dieses Haus. Er verstand nicht, woher er dies wusste, aber das tat er, und er war froh, dass er heute nicht dort hinüber gehen musste.
Jim hatte der Frau, die immer noch spuckte und brüllte, Handschellen angelegt und zog sie vom Boden hoch. »Willst du, dass ich sie abführe?«, fragte der Deputy.
»Nein. Ich mach das. Du passt auf diese Kinder auf! Bring sie nach drinnen oder in den Garten hinter das Haus! Ich schicke Mrs. Biedermann her, sie abzuholen; dann komme ich zurück und wir schneiden diese Kinder los und bringen sie zu Jake.«
»Was glaubst du, warum hat sie das gemacht?«, fragte sich Jim und schaute die beiden hängenden Kinder an.
Nichts antwortend schüttelte Luther den Kopf.
Aber er kannte die Antwort.
Es war die Rainey Street.
Siebenundzwanzig
Nachdem er angerufen hatte, um sich zu vergewissern, dass es Claire und den Kindern gut ging, und nachdem er abwechselnd mit jedem von ihnen gesprochen und versichert hatte, dass bei ihm alles in Ordnung wäre, machte sich Julian ein Truthahn-Sandwich zum Abendessen und aß es vor dem Fernseher, während er die Abendnachrichten sah. Er vermisste seine Familie, aber er war froh, dass sie nicht hier war. Wenn er nur einen Funken Vernunft besessen hätte, wäre er auch gegangen, hätte ein Zu Verkaufen -Schild in den Rasen des Vorgartens gerammt und wäre so schnell, wie er nur konnte, aus der Nachbarschaft abgehauen.
Aber das konnte er nicht machen.
Warum? Was musste er beweisen?
Dass er kein Feigling war.
Julian trug seinen Teller und seine Tasse in die Küche und stellte das Geschirr in die Spüle. Er dachte an Miles und verspürte das plötzliche Bedürfnis, sich ein Bild seines Sohnes anzuschauen, noch einmal in das Gesicht des kleinen Jungen zu blicken. Natürlich konnte er es in Gedanken sehen – den blonden Topfschnitt, die großen grünen Augen, den Mund, der fast immer lächelte –, aber er wollte sich ein Foto anschauen, sich nicht nur eine Erinnerung ansehen, sondern ein greifbares Objekt, eine echte Aufnahme des Jungen an einem besonderen Ort zu einer besonderen Zeit.
Es war niemand zu Hause, also musste er nicht diskret vorgehen, und er ging in den Keller hinunter und fing an, in den Kisten zu wühlen, auf der Suche nach den Fotoalben, die sie versteckt hielten, diejenigen, die sie Megan oder James nie zeigten, diejenigen, die sie aufbewahren wollten, aber nie anschauten.
Er brauchte eine Weile, die Fotoalben zu finden, und inmitten der Suche stellte er fest, dass der Keller ihm nicht unheimlich erschien. Hatte er das jemals – oder hatte Julian einfach das Urteil seiner restlichen Familie akzeptiert? Er war sich nicht sicher, aber er wusste, er war allein im Haus, es war Nacht, und er war hier unten und hatte keine Angst. Das hatte etwas Beruhigendes an sich, und er ertappte sich dabei, dass er in der Lage war, sich völlig auf die Suche nach den Bildern von Miles zu konzentrieren, ohne sich mit irgendwelchen der normalen Ablenkungen herumzuärgern.
Nach einer Weile, die eine Stunde hätte sein können oder zwei – er hatte das Zeitgefühl verloren –, fand Julian schließlich ganz unten in einem Müllsack, unter Claires alten Schwangerschaftskleidern ein bekanntes grünes Album mit dem aus Gold gestanzten Wort Fotos auf dem Einband. Selbst der Anblick des Fotoalbums ließ das Herz in seiner Brust höher schlagen, brachte ihn dazu durchzuatmen, und er starrte einen Moment lang auf den grünen Einband, sich fangend, Mut sammelnd. Schließlich atmete er tief ein und öffnete es.
Direkt auf der ersten Seite war Miles.
Er hatte gedacht, er müsste erst etwas darin blättern, vorbei an Bildern von Claire, die er gemacht hatte, während sie zusammen
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