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Haunted (German Edition)

Haunted (German Edition)

Titel: Haunted (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bentley Little
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dem Jungen auch erlaubt zu laufen, ohne ihn an der Hand festzuhalten, und auch das hatte er niemals zuvor getan. Im Nachhinein fragte sich Julian, warum er so nachlässig gewesen war, das fragte er sich eintausend Mal, aber er war noch nie in der Lage gewesen, darauf eine Antwort zu finden.
    Er erinnerte sich, dass sie sich unterhalten hatten, er und Miles, über etwas gelacht hatten, was Oscar, der Griesgram aus der Sesamstraße, an diesem Morgen gesagt hatte. Und dann hatte der wassergesättigte Erdboden unter Miles’ Schuhen nicht mehr als einen Fuß von der Stelle entfernt, an der er stand, nachgegeben, und Julian hatte mit ohnmächtigem Entsetzen zugesehen, wie ein ganzer Teil des Weges den Berghang hinunterrutschte und seinen Sohn mit sich riss.
    »Miles!«
    Schreiend fiel Julian auf die Knie, beugte sich über den neu gebildeten Rand und rechnete damit, den Körper seines Sohnes am Grund der Schlucht ausgestreckt liegen zu sehen.
    Aber Miles befand sich nur ein paar Fuß weiter unten, lag flach auf einem zusammengebrochenen Teil des schlammigen Pfades, Arme instinktiv ausgestreckt, als griff er nach einem Halt.
    »Daddy!«
    Den Gesichtsausdruck seines Sohnes in dieser letzten Sekunde würde er nie vergessen, das Flehen, die Angst, untermauert von der Hoffnung und dem Glauben, dass Daddy fähig wäre, dies zu beenden und ihn zu retten. Ein Ausdruck, der ihn bis ans Ende seines Lebens verfolgen würde, ein Blick des kompletten und vollkommenen Vertrauens, des reinsten Glaubens, den er jemals erlebt hatte oder jemals erleben würde. Aber er hatte gezögert. Er hätte nach unten greifen und die Hand seines Sohnes packen können, aber er hatte Angst gehabt, dass der Bereich des Erdbodens, auf dem er kniete, nachgeben würde, ihn ebenfalls hinunterreißen würde, und er hatte gedacht, dass es sicherer wäre, wenn er erst etwas nach rechts ging.
    Dann war der Schlamm verrutscht, und Miles wurde weggeschwemmt, er fiel den Hang hinunter und wurde unter einer Matschlawine begraben.
    Claire brüllte, ihre schrillen Schreie hallten an den Wänden der Schlucht wider. Er hatte keine Ahnung, was sie gerade tat, er konnte nur hoffen, dass sie die Geistesgegenwärtigkeit besaß, Hilfe zu holen und mit ihrem Handy den Notruf zu wählen. Aber er hatte für nichts davon Zeit. Er rannte den Berghang hinunter, unter Missachtung aller Sicherheitsvorkehrungen und des gesunden Menschenverstandes, stolperte, fiel hin, stand wieder auf, schrie, ließ den abrutschenden Bereich des Weges nicht aus den Augen und versuchte zu bestimmen, wo Miles sich unter all diesem Schlamm und Geröll befand. Er war sich ziemlich sicher, dass er die richtige Stelle kannte, und als der Rutsch am Grund der Schlucht aufhörte, fiel er auf die Knie und begann wie verrückt zu graben, er benutzte beide Hände, um so viel Schlamm wegzuschaufeln, wie er nur konnte, warf ihn auf die Seite und schaufelte augenblicklich mehr weg. Er rechnete immer wieder damit, die Finger seines Sohnes zu sehen oder das Blau seines T-Shirts flüchtig zu erblicken, aber das tat er nicht, und er grub tiefer, obwohl er im Hinterkopf hatte, dass der Junge schon zu lange hier drunter lag, und von der wachsenden Angst erfüllt wurde, dass er an der falschen Stelle suchte.
    Als die Rettungskräfte eintrafen, wühlte er immer noch schluchzend im Schlamm herum, auch wenn er nicht wusste, wann das war oder wie lange er schon dort gewesen war. Irgendwann später hatte jemand die Leiche von Miles gefunden, aber Julian war es nicht gewesen, und danach erinnerte er sich nur daran, dass er Miles’ Wange küsste, bevor die Trage, auf der er lag, in einen Helikopter geschoben wurde, auf seinen Lippen der kiesige, bittere Geschmack des Schlamms.
    Und Miles war gestorben.
    Das nächste Mal, dass Julian ihn gesehen hatte, war im Leichenschauhaus gewesen, in dem von ihm und Claire verlangt worden war, die Leiche zu identifizieren.
    Indem er seine Handflächen auf seine Augen drückte und tief und schaudernd einatmete, zwang Julian sich, nicht zu weinen. Es dauerte eine Weile, aber er schaffte es, gegen die Tränen anzukämpfen, und langsam und gleichmäßig atmend legte er das Fotoalbum in den Müllsack unter die Schwangerschaftskleider und platzierte alles so, wie es gewesen war.
    Er fasste in seine Hemdtasche, holte das Foto heraus, das er dort hineingesteckt hatte, und schaute es an.
    »Miles«, sagte er laut, und es fühlte sich gut an, den Namen wieder auszusprechen. »Miles.«
    Julian träumte

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