Haunted (German Edition)
Wesen, die nachts durch die Gegend polterten, nicht gab.
Spontan lief er ins Wohnzimmer und schaute aus dem vorderen Fenster. Das Gras auf dem Rasen war grün; der Baum hing voller Blätter und spendete mehr Schatten, als er es jemals getan hatte.
Die Gärten auf der anderen Straßenseite waren ebenfalls wieder hergerichtet worden.
Julian drehte sich um und sah ein makelloses Esszimmer und dahinter die Küche. Jetzt, da er seine Entscheidung getroffen hatte, zögerte er, sie zu verwirklichen. Das emotionale Gewicht seines Vorhabens brach auf ihn herein, und er wollte nur seine Familie sehen. Aber wenn er versuchte zu gehen, würde er umgebracht. Das wusste er instinktiv und genau. Trotz der trügerischen Ruhe im Zentrum des Sturms würde die bildschöne Fiktion, die ihn jetzt umgab, nur so lange anhalten, wie er kooperierte, solange er das tat, von dem er sagte, er würde es tun. Jegliche Abweichung würde tödlich ausgehen.
Trotzdem hatte er etwas Zeit, und er ging zu dem Schrank im Esszimmer hinüber, in dem Claire Schachteln mit Fotos aufbewahrte, die sie aus Zeitmangel noch nicht in Alben eingeklebt hatte. Er holte die oberste Schachtel herunter, stellte sie auf den Tisch und schaute die Bilder durch. Er sah ein Foto von Megan, als sie fünf war, für Halloween als Prinzessin
Jasemine verkleidet; sah James, als er im Alter von drei Jahren stolz vor einem Fort stand, das er aus Sofakissen gebaut hatte. Es gab Fotos von einem Besuch beim Weihnachtsmann, von einem Ausflug in den Zoo nach Albuquerque, von verschiedenen Geburtstagsfeiern. Er entdeckte eines, das er vergessen hatte: Er und James auf dem Jahrmarkt, Seite an Seite die Riesenrutsche hinunterrutschend. Julians Sichtfeld verschwamm, als die Tränen kamen, und er hatte seine Frau und seine Kinder noch nie so sehr geliebt wie in diesem Moment.
Er würde Megan und James nie aufwachsen sehen, stellte er fest, nie zu ihren Hochzeiten gehen können, ihnen nie diese Fotos zeigen können, wenn sie groß waren, nie ihre Kinder sehen können. Eine ganze Welt, die er versäumen würde, ein ganzes Leben, und er wurde von einem so tiefgründigen Verlustgefühl überwältigt, dass er das Bild auf den Tisch fallen ließ und sich weigerte, noch weitere Fotos anzuschauen.
Es war Zeit, beschloss er.
Er musste nur herausfinden, wie er es tun wollte.
Aufhängen stand nicht zur Debatte. Er fürchtete sich, so aus dem Leben zu scheiden, und es war wahrscheinlich das Unhöflichste und Grausamste, das er seiner Familie antun konnte. Einer von ihnen würde seine Leiche finden müssen, und dieses Bild würde an der Person für den Rest ihres Lebens haften bleiben.
Ebenso Erstechen, was er wahrscheinlich nicht einmal durchziehen könnte.
Das alte M*A*S*H-Lied war falsch, dachte er sich. Selbstmord war nicht schmerzfrei.
Gift wäre wahrscheinlich das Beste. Oder eine Überdosis. Er ging in die Küche und schaute den Schrank durch, in dem sie die Medikamente und Vitamine aufbewahrten. Ein paar übrig gebliebene verschreibungspflichtige Flaschen von einigen Winterkrankheiten der Kinder, aber sie waren keine Familie, die Schlaftabletten oder irgendwelche starken Medikamente im Haus hatte. Unter dem Spülbecken fand er Drano und in der Wäschekammer Bleichmittel, aber beide wären übel, und er war sich nicht sicher, ob sie ihn umbringen würden oder ob er sie erbrechen und sich in einem Krankenhaus wiederfinden würde, wo er viel zu erklären hätte.
Er kehrte zum Schrank zurück, um noch mal nachzusehen und entdeckte eine volle Flasche Advil und eine Flasche Baby-Aspirin, die Claire ihn mit seinen Vitaminen nehmen ließ. Könnte er davon eine Überdosis nehmen? Er las den Advil-Warnaufkleber: »Das Herzinfarkt- oder Schlaganfall-Risiko kann steigen, wenn Sie mehr einnehmen als verordnet.«
Jaaaaa.
Es war die Stimme, die er vorher gehört hatte.
Offensichtlich wurde er schärfer beobachtet, als er dachte.
Julian nahm die Advil-Flasche in die Hand, dann stutzte er. Wurden seine Gedanken gelesen? Es schien so. Was bedeutete, dass es wusste, was er vorhatte, und es nicht besorgt war. Bedeutete das, sein Plan würde nicht funktionieren?
Darauf ging er nicht ein, er dachte an etwas anderes, an den Benzinpreis, an die Umfragewerte des Präsidenten, und versuchte, einen klaren Kopf zu behalten, damit er nicht erwischt wurde. E zog kurz in Erwägung wegzurennen, aus dem Haus zu stürmen und die Straße entlangzurasen. Aber er wusste, dass es nicht funktionieren würde. Er hatte
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