Hauptsache, es knallt!
Satz wie ein Vorschlaghammer. Andere sprachen von Donnerhall oder Keulenschlag. Ich finde aber, dass ein brennender 32-Tonnen-Tanklastzug, der ungebremst in ein Atomsprengkopflager hineinrast, den Satz immer noch am besten beschreibt:
»Ich glaube, ich habe gerade mit einer anderen Frau geschlafen.«
Und spätestens nach diesem Satz, das muss ich ehrlich zugeben, hatte auch ich keine Hoffnung mehr. Ein irrer Lachanfall stieg mit Urgewalt in mir hoch. Ich stemmte mich dagegen, wusste aber, dass ich keine Chance hatte. Doch komisch, ein kleiner Restteil meines Hirns arbeitete trotz allem noch gut. Und diesem kleinen Restteil fiel plötzlich auf, dass alles in Wirklichkeit noch viel, viel schlimmer war. Aber vielleicht sollte ich besser von vorne anfangen.
Teil 1
Die Gefährten
Lashatak-Kaniwuki
Der erste Vorbote des Desasters erreichte Henriette, Patrick, Bülent und mich schon knapp ein Jahr vorher. Ein Luxus-Briefumschlag mit silberfarbener Karte, den wir alle am gleichen Tag aus unseren Briefkästen fischten. Abenteuerlich verschnörkelte Schrift:
Und nichts gegen silberfarbene Karten mit verschnörkelter Schrift, aber dieses Datum kannte nun wirklich jeder von uns längst in- und auswendig. 21. 7. 2012! Janinas und Markus’ Hochzeit! Absolut heilig! Alle Termine drumherum absagen! Das trugen wir tief und unauslöschbar in unsere Hirne gemeißelt mit uns herum.
Neun Monate später kam dann die richtige Einladung. Diesmal mit goldenem Umschlag und Karte aus handgeschöpftem Büttenpapier. Und auf dem Büttenpapier fanden wir das volle Programm. Alles an einem Tag. Standesamtlich, kirchlich und abends Riesenbohai mit Essen, Trinken, Tanzen und und und. Das Ganze selbstverständlich auf einem Schloss. Schloss Walchenau. Irgendwo in der Pampa, sechzig Kilometer nordwestlich von hier. Ein Anfahrtsplan für Ortsfremde lag bei. Ebenfalls auf Büttenpapier.
Aber auch wenn ich an diesem Tag zum ersten Mal ganz vage das Gefühl hatte, dass Janina und Markus es ein bisschen übertrieben, ging die Geschichte doch erst richtig los, als ich ein paar Wochen später die Gästeliste sah. Ich erinnere mich noch genau: Es ist Samstag, und ich treffe mich mit Janina zum Kaffee bei Bäcker Scheckenbach in der Fußgängerzone unseres beschaulichen Städtchens Salzminden. Die Frühlingssonne scheint, die Vögel in den zurechtgestutzten Fußgängerzonenbäumen zwitschern so laut, dass man es sogar durch die Scheibe hört, und die alte Frau Scheckenbach hinter dem Tresen hat gerade zum ersten Mal in diesem Jahr gelächelt.
Nur Janina. Ein Gesicht wie sieben Tage Regenwetter, plus Gipsbein und Steuerbescheid. Und es liegt nicht an der anstrengenden Frühschicht, die sie heute Vormittag als Altenpflegerin im Kunigundenstift hatte. Nein, sie macht sich Sorgen. Die Hochzeit soll unbedingt der schönste Tag ihres Lebens werden. Nicht einfach nur ein Fest, bei dem sich alle ein bisschen wohl fühlen und freuen, nein, schönster Tag ihres Lebens , darunter macht sie es nicht.
Zugegeben, das klingt, als wäre meine beste Freundin Janina eine hysterisch-überkandidelt-verwöhnte Schnitte, aber das stimmt nicht. Im Gegenteil, Janina ist normalerweise mehr so wie eine Eiche. Man vergleicht zwar Frauen gewöhnlich nicht mit Eichen, aber sagen wir trotzdem mal kurz, Janina ist eine Eiche. Und Eiche jetzt nicht, weil sie riesig und kräftig ist. Janina misst knapp 1,70 und hat eine Traumfigur, Junge, Junge. Aber vom Wesen her halt Eiche: ruhig und erhaben. Und eine besonders angenehme Form von ruhig und erhaben. Nicht im Sinn von »Ihr könnt mich alle mal«. Nein, Janina ist eine Eiche, die am liebsten überdrehte Spatzen und durchgeknallte Papageien in ihren Ästen sitzen hat. Und wenn ihre freundlichen braunen Rehaugen dich angucken, sagen sie: »Ich bin zwar eine Eiche, aber hey, was stellen wir heute an?« So ungefähr.
Doch Eiche hin oder her, Janina hat ein paar wunde Punkte. Und dazu gehört nun mal die Sache mit der Hochzeit. Weil, das muss ich kurz erzählen, Janinas Eltern sind Hippies. Also, richtige Hippies. Und ich habe lange gedacht, die beiden wären gar nicht verheiratet, weil Hippies halt nicht heiraten, aber irgendwann hat mir Janina die ganze Geschichte erzählt. Ihre Eltern haben nämlich doch geheiratet. Aber natürlich nicht normal, sondern nach einem alten indianischen Ritus. Mitten in der Nacht auf einem Acker. Und Janina, damals acht Jahre alt, war dabei. Und sie musste mit ansehen, wie ihre Eltern sich erst
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