Hauptsache, es knallt!
Hosentasche reiße und loswähle. Als Erstes Henriette. Dann Patrick und Bülent. Nur Kurt erreiche ich nicht. Schläft bestimmt noch, weil er wieder die halbe Nacht indonesische B-Movies geguckt hat. Macht nichts. Kurt ist eh zu wenig Kämpfertyp für diesen Job.
Furchterregendes
Klippenmassiv
Perfekte Organisation. Nur zwei Stunden später sitzen wir alle bei meinem Arbeitskollegen und besten Freund Patrick im Garten. Na ja, Garten ist gut. Es ist mehr so ein kleines Fleckchen Rasen, das an der Altstadt-Erdgeschosswohnung dranklebt, in der er wohnt, seit er sie vor ein paar Jahren von seiner Großmutter geerbt hat. Aber irgendwie liegt das Fleckchen Rasen so gut zwischen den Hauswänden, dass man sich am Nachmittag wunderbar in der Sonne räkeln kann. Und für einen Kerl von Patricks Gewicht ist eine Wohnung im Erdgeschoss auch sonst absolut perfekt. Jede Treppenstufe bedeutet nämlich Höllenqualen für ihn, und Aufzüge streiken, wenn sie seinen mächtigen Körper auch nur von weitem sehen.
Und Aufzüge sind eine super Überleitung zu Bülent. Der lümmelt sich neben Patrick auf einem Gartenstuhl, hat die Lehne ganz nach hinten gekippt und lässt seine Ray-Ban-Fliegerbrille mit den flaschengrünen Gläsern gegen die Frühlingssonne kämpfen. Und super Überleitung, denn Bülent ist Aufzugswartungstechniker. Kein schlechter Job, denken Patrick und ich uns manchmal. Während wir den ganzen Tag in dem öden Büro in dem öden Betonfertigteilwerk in dem öden Gewerbegebiet, dem unser Städtchen Salzminden seine dicken Steuereinnahmen verdankt, die Drehstühle breitsitzen, sieht er die große weite Welt: Zerbin-Assekuranz-Hochhaus, Allenbach-Center, Maribu-Hotel Gillingsberg, überall Aufzüge, die gewartet werden müssen. Aber dafür muss man natürlich dieses Technikzeug können, und das ist nichts für Patrick, geschweige denn für mich.
Und Maribu-Hotel Gillingsberg ist eine super Überleitung zu Henriette, die auf der rechten Seite von Patricks Gartenbank sitzt und ihre nackenlangen, eh schon hellblonden Haare noch ein wenig mehr von der Sonne ausbleichen lässt. Henriette ist nämlich Wellness-Managerin im Maribu-Hotel Gillingsberg. Hört sich toll an, und sie beklagt sich auch gar nicht, aber ich glaube trotzdem, dass ein Viel-Energie-Mensch wie sie da total unterfordert ist. Deswegen hat sie sich ein richtig anspruchsvolles Hobby gesucht: Segelfliegen. Und natürlich fliegt sie nicht nur, sie hängt sich auch voll bei ihrem Segelflugverein rein. Was sie da alles ehrenamtlich tun muss, holla die Waldfee, das ist schon fast wie ein zweiter Job. Wie sie das schafft, da bewundere ich sie ja schon. Und manchmal ahne ich, dass das mit dem Segelfliegen bei ihr auch so ein bisschen von der Sehnsucht nach ihrem Freund Florian kommt. Der ist nämlich die Hälfte des Jahres beruflich in Zürich. Und das wäre theoretisch in der Reichweite von so einem Segelflugzeug. Aber da denke ich wahrscheinlich viel zu romantisch.
Und romantisch ist natürlich wieder die super Überleitung zurück zu Patrick, denn der trägt mit jedem Gramm seiner gewaltigen Körpermasse mindestens ein Gramm Romantik und ein Zusatzgramm Einfühlungsvermögen herum. Und was für goethemäßige Sätze der immer mit seiner hellen Singstimme von sich gibt. Der könnte sogar Betonfertigteile zum Seufzen bringen, denke ich manchmal. Und ich mag das sehr an ihm.
So weit, so gut. Dann wird es aber schwierig. Neben Henriette, auf der linken Gartenbankseite, sitzt nämlich noch jemand: ihre neue Arbeitskollegin Jil. Und zu Jil finde ich überhaupt keine gute Überleitung. Kein Wunder, ich sehe sie gerade zum ersten Mal. Und was ich von ihr sehe, sind vor allem Unmengen an Haaren. Diese kräftigen braunen Wuschellocken, wirklich, wie eine Streitmacht. Fast hat man Angst, sie würden sich im nächsten Augenblick über ihr Gesicht hermachen. Aber da ist ja noch ihr Mund. Viel zu groß für dieses Gesicht, denkt man im ersten Moment. Aber im zweiten Moment erkennt man, dass so alles im Gleichgewicht ist. Die mächtigen Haare haben Respekt vor dem großen Mund und wagen es nicht, in sein Territorium einzudringen. Den Rest ihres Gesichts, die kleine Nase mit dem Meer von winzigen Sommersprossen, die sich darauf austoben, das Kinn mit dem kleinen Grübchen und vor allem die Augen mit dem zartblauen Schimmer, das alles sieht man erst, wenn man genau hinschaut.
Und ich finde, ich brauche auch gar keine gute Überleitung zu Jil. Sie hat nämlich, meiner
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