Hauptsache, es knallt!
inneren Ritter in ihre Rüstungen schlüpfen und auf ihre Pferde steigen.
»Ich sehe da nur ein grundsätzliches Problem für unser Vorhaben.«
»Spuck es aus, Patrick.«
»Mich deucht, dass sich eine klassische Traumhochzeit mit vielen Gästen und vollem Programm und schönster Tag des Lebens gegenseitig ausschließen. Wenn ich allein an die vielgestaltigen Belastungen für das Brautpaar bei einer so großen Veranstaltung denke, die unvorhergesehenen Verwicklungen, ganz zu schweigen von den schaurigen Gefahren der Gästeliste, die wir bereits …«
»Vielleicht hast du recht, Patrick, aber dieser Gedanke ist ab heute für uns tabu. Es wird der schönste Tag in Janinas Leben. Ich werde alles dafür tun, ihr auch?«
Manchmal möchte ich Henriette küssen. Es gibt keine Zweifel mehr an unserer Mission. Alle nicken stumm. Auch Jil. Hey, warum so übereifrig? Echt jetzt, die weiß doch gar nicht, worauf sie sich da einlässt. Aber mir doch egal. Ich übernehme wieder das Wort.
»Fein, fangen wir an. Zum Glück sehen wir durch Janinas Gästeliste den ganzen Scherbenhaufen klar und deutlich vor uns. Klein ist er ja nicht gerade, aber wir können ab sofort gezielt mit den Sanierungsarbeiten …«
»Moment, Tim.«
Was will Henriette denn nun noch?
»Jil hat auch noch etwas zu sagen.«
Wie bitte?
»Jil war nämlich vor einem halben Jahr zu einer Hochzeitsfeier auf diesem Schloss Walchenau eingeladen. Und was sie da erlebt hat … Hm, ich glaube, du erzählst es besser selber, Jil.«
Ach, deswegen ist Jil hier? Na gut.
Sie holt tief Luft, und ihre zartblauen Augen bekommen diesen Schimmer, den Augen immer bekommen, wenn Menschen sich an den Tod ihres ersten Haustiers oder einen schrecklichen Autounfall erinnern. Selbst die Blumen in Patricks Garten scheinen ein wenig die Köpfe zu senken, als sie zu sprechen beginnt. Und auch wenn ihre Stimme fest und klar klingt, ist sie doch in diesem Moment eine Stimme, wie man sie von gut vorbereiteten Grabreden her kennt.
»Schloss Walchenau ist wirklich wunderschön.«
Soprantrillerpfeife
Schloss Walchenau ist wirklich wunderschön. Das hat uns Jil eindrucksvoll geschildert. Spätklassizistischer Bau, vor zehn Jahren mit großem Aufwand saniert und durch ein dezent gestaltetes modernes Gästehaus am früheren Standort der Pferdeställe ergänzt. Die größte Attraktion aber ist der wunderschöne Schlossgarten. Der wurde im 19. Jahrhundert von einem berühmten Landschaftsarchitekten entworfen und bei der Sanierung exakt nach dessen alten Plänen wieder angelegt. Wassergarten, Rosengarten, gepflegte Rasenfläche, Seerosenteich und ein kleiner Eichenwald im Hintergrund. Steht man auf der Terrasse, schaut man sozusagen direkt ins Paradies.
Und dreht man sich um, schaut man auf die prächtige Schlossfassade. Da kann man sich als Heiratender jederzeit sagen: »Wow, ich werde meine Hochzeitsnacht in einem echten Schloss verbringen. Keine Pseudokacke, Schloss!«
Und in diesem Moment ist es sehr wahrscheinlich, dass man nicht nur die wunderschöne Schlossfassade sieht, sondern auch eine Frau, die davor steht und nach dem Rechten sieht. Und diese Frau heißt Frau von Weckenpitz. Und Frau von Weckenpitz ist rein äußerlich sicher kein unschöner Kontrast zur Schlossfassade, sagt Jil. Bisschen älter, gepflegte Erscheinung, immer gut frisiert und top gekleidet. Nein, das mit dem Aussehen ist nicht das Problem mit Frau von Weckenpitz. Ihre Stimme schon eher. Die ist nämlich recht unangenehm, sagt Jil. Ein Art Dauerkeifen in der Tonfrequenz einer Soprantrillerpfeife, falls es so etwas gibt, und in der Lautstärke einer gut warmgesungenen mittelgroßen Zweitliga-Fangruppe. Allerdings benutzt sie nur sehr selten unflätige Ausdrücke, das müsse man ihr lassen.
Und Frau von Weckenpitz gehört das Schloss. Nein, genau genommen gehört es ihr nicht. Nicht mehr. Sie hat sich finanziell verhoben. Die Sanierung wurde zwar fast vollständig durch EU-Fördergelder abgedeckt, aber das neue Gästehaus. Und dann ist auch noch ihr Mann auf und davon. Und plötzlich ging ihr Konzept »Hier ist meine Residenz, nur ab und zu mal eine Hochzeit, damit Geld aufs Konto kommt« nicht mehr auf. Zum Glück fand sich ein Investor, der ihr nicht nur alles abkaufte, sondern sie auch noch als Verwalterin weiter dort wohnen ließ. Natürlich jetzt nicht mehr im ganzen Schloss, sondern nur in der neugeschaffenen Verwalterinnen-Wohneinheit im ersten Stock Westflügel. Aber immerhin kann sie sich weiter
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