Hauptsache, es knallt!
Meinung nach, hier überhaupt nichts verloren. Also, nichts gegen Jil, ich sehe sie gerade zum ersten Mal, wie gesagt, und sie hat mir auch nichts getan. Aber darum geht es jetzt nicht. Das hier ist eine Besprechung im engsten Kreis. Wir kennen uns alle seit vielen Jahren. Mit Henriette und Bülent haben wir uns als Teenager in dem Formationstanzkurs angefreundet, in den Janina mich reingeschleppt hatte. Und Patrick kenne ich seit meinem ersten Tag im Betonfertigteilwerk, also seit ewig und drei Tagen. Was wollen wir mit Jil? Klar, Henriette hat schon viel von ihr erzählt. Total sympathisch, bisschen verrückt, sofort angefreundet und so weiter. Aber wir haben uns getroffen, um Janinas und Markus’ Hochzeit zu retten. Wie soll sie uns dabei bitte helfen? Sie weiß doch überhaupt nichts von den beiden.
»Okay, Freunde, wir sind nicht zum Vergnügen hier.«
Sehr gut, Henriette ergreift das Wort. Ohne sie sind wir, unter uns gesagt, immer nur ein netter Haufen geballtes Chaos.
»Janina macht sich Sorgen, dass die Hochzeit nicht so schön wird, wie sie es sich vorstellt, und Tim meint, wir müssen was tun. So weit richtig?«
»Richtig, nur völlig untertrieben.«
»Untertrieben?«
Ich ziehe die Gästeliste heraus und lege sie auf den kleinen runden Tisch in unserer Mitte.
»Schaut euch das mal an.«
Alle beugen ihre Köpfe über Janinas Werk. Unsere Wangen berühren sich fast. Dummerweise sitzt ausgerechnet Jil neben mir, und ihr Duft weht mir um die Nase. Irgendwas mit Orange, aber auch was Grasiges dabei. Nicht übel, aber echt jetzt, wenn sie sich hier schon reindrängelt, kann sie dann nicht wenigstens ihren Duft bei sich behalten? An die anderen bin ich gewöhnt, aber wenn sich so ein fremder Duft in deiner Nase austobt, wie soll man sich da konzentrieren?
Zum Glück habe ich Janinas Worte noch ganz frisch im Kopf und schaffe es, alles wiederzugeben. Von der greisen Großtante Gerlinde bis zum vierjährigen Kasimir-Mehmet-Achim spule ich alle Bedenken herunter, und der finstere Gedankenabgrund, der mich bei Bäcker Scheckenbach verschlungen hat, tut sich erneut auf.
Als ich fertig bin, sehe ich hoch. Hat meine Rede gewirkt? Zumindest Patrick ist leichenblass geworden.
»Oh mein Gott! Was für ein furchterregendes Klippenmassiv! Die MS Janinas Traumhochzeit droht daran zu zerschellen wie ein Weinglas an einem Amboss!«
So redet er immer. Aber besser kann man es wohl tatsächlich kaum ausdrücken.
»Ach, so schlimm ist es doch gar nicht.«
Bülent, dieser penetrante Optimist.
»Mal ehrlich, Janina soll sich beruhigen. Solange wir alle da sind, kann es doch gar nicht schlecht werden. Schließlich haben wir vor zwei Jahren sogar eine ganze Regenwoche auf Mallorca zusammen Spaß gehabt, oder?«
»Das stimmt, aber …«
»Und als mein Bruder neulich geheiratet hat, waren wir 250 Leute. Drei Familienstreits, zwei Schlägereien, fünf Verletzte, eine Verhaftung. Ganz normal.«
»Aber das kannst du nicht vergleichen, Bülent.«
»Warum?«
Ich schaue verzweifelt zu Henriette, aber sie scheint ebenfalls noch nicht restlos überzeugt zu sein, dass wir etwas tun müssen. Na gut, dann geht es wohl nicht anders.
»Also, ich erzähle euch jetzt was. Aber vorher müsst ihr schwören, dass ihr es niemandem weitersagt. Niemals und unter keinen Umständen.«
»Okay. Erzähl.«
»Moment. Ich will einen richtigen Schwur. Von jedem. Am besten was mit Blut.«
Scherbenhaufen
Die Geschichte ist draußen. Alle wissen jetzt von der Hippiehochzeit auf dem Acker, die Janina als Kind über sich ergehen lassen musste. Ich habe ein schlechtes Gewissen. Janina hat mir zwar nicht gesagt, dass ich es nicht weitererzählen darf, aber ich wollte es trotzdem nie tun. Und jetzt ist sogar Jil eingeweiht, eine völlig Fremde.
Wenigstens hat die Geschichte gewirkt. Bülent ist noch blasser geworden als Patrick vorhin.
»Was sind das für Eltern!«
»Sie sind okay, Bülent. Sie haben an dem Tag einfach Mist gebaut. Sie wissen es selber.«
»Arme Janina.«
Auch Henriette ist sichtbar erschüttert. Und Jil? Keine Ahnung. Ist auch egal. Wir schweigen. Lange. Schließlich holt Henriette tief Luft. Sie hat, wie so oft, als Erste ihre Gedanken sortiert.
»Gut. Alles klar. Janina braucht eine klassische Traumhochzeit auf einem Schloss, mit vielen Gästen und vollem Programm. Und es muss der schönste Tag ihres Lebens werden. Noch Fragen?«
Danke, das war deutlich. Ich spüre, wie nun endlich auch bei den anderen die
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