Hauptsache Hochzeit
Was immer du willst.«
Ich zögerte einen Moment.
»Was denn, Liebling?«, fragte meine Mutter angespannt. »Worum geht es denn?«
»Um Großmutter«, sagte ich. »Deine Mutter.«
»Ja?« Sie nickte. »Was ist mit ihr?«
Ich setzte mich. »War sie auch schon so schlimm, als sie dich großgezogen hat? Ich meine, hat sie dir auch gesagt, wenn du dich schminkst, seiest du ein Flittchen, das keiner jemals ernst nehmen würde? Und hat sie dich auch ausgesperrt, wenn du nach sechs Uhr abends heimgekommen bist?«
Meine Mutter grinste, und ich fühlte mich verstanden. »Gott, sie war wirklich furchtbar, oder?«
»Ich hab geglaubt, wenn ich einmal an einer Zigarette ziehe, werde ich für den Rest meines Lebens heroinsüchtig sein«, sagte ich mit einem kleinen Lächeln. »Und was Alkohol angeht …«
»Teufelsgebräu«, sagte meine Mutter todernst, die Stimme meiner Großmutter imitierend.
Sie setzte sich neben mich. »Es tut mir leid, Jess, ich dachte… Schau, ich weiß, dass sie ein Schrapnell war, aber sie hat es trotzdem immer gut gemeint.«
»Das weiß ich schon«, erwiderte ich. »Ich hab sie auch geliebt. Sie hat immerhin ihr Leben geopfert …« Ich bemerkte den Blick meiner Mutter. »Jedenfalls hat sie mich großgezogen.«
»Ich wünschte, ich hätte es selbst tun können«, sagte meine Mutter. »Aber wie gesagt, ich weiß nicht, ob ich dir wirklich ein gutes Vorbild gewesen wäre. Deine Großmutter meinte immer, bei mir hätte sie zum ersten Mal versagt, deshalb sei ich so misslungen.«
»Aber du bist doch nicht misslungen.«
»Doch, Liebling, irgendwie schon. Ich habe einen schwachen Charakter, weißt du. Ich kann es nicht ändern. Zum Beispiel …« Sie blickte zu Boden.
»Was?«, fragte ich sanft.
»Ich lasse immer wieder Menschen im Stich.« Sie stand auf und ging zu ihrem Umkleideschrank hinüber. Ich überlegte einen Moment, dann holte ich meine Handtasche aus dem Spind und kramte mein Scheckbuch heraus.
»Hunderttausend Pfund?«, fragte ich.
Meine Mutter sah mich verblüfft an. »Wie bitte?«
»Hunderttausend? So viel schuldest du denen noch, oder?«
Sie wandte den Blick ab und schüttelte den Kopf. »Nein, Liebling. Bitte nicht. Das könnte ich nicht annehmen. Ich will wirklich …«
»Du, du kannst es annehmen«, erwiderte ich fest. »Und du wirst es auch tun.«
»Bitte, Liebling. Ich will dein Geld nicht. Und ich will dir nichts schuldig sein.«
»Du wolltest auch keine riesige Narbe, aber die hast du trotzdem, oder?« Ich schrieb den Scheck aus und reichte ihn ihr. »Zahl diese Typen aus, okay? Tu es für mich. Dann kann ich nachts besser schlafen. Ich will, dass du das annimmst.«
Einen Moment lang stand sie reglos da. Dann nahm sie den Scheck und steckte ihn in ihre Handtasche.
»Ich kann überhaupt nicht fassen, dass ich ein Wesen geschaffen habe, das so… gut ist«, sagte sie mit Tränen in den Augen. »Das mir so gar nicht gleicht.«
Ich sah sie an. »Du bist doch kein böser Mensch«, sagte ich leise.
Sie lächelte. »Nein, böse bin ich nicht, Jessica. Aber ich bin nicht stark, so wie du. Du … du wirkst auf mich, als wüsstest du genau, wer du bist und wo du hinwillst im
Leben. Darum beneide ich dich, wenn ich ganz ehrlich sein soll.«
Ich tat so, als sei ich überrascht, aber innerlich platzte ich fast vor Stolz.
»Dennoch, Liebling«, sagte sie ernsthaft. »Bist du dir ganz sicher, dass du mir wirklich so viel Geld geben willst? Das musst du nicht tun. Ich werde schon einen anderen Ausweg finden aus dieser kleinen Misere. Ich bin gut in so was. Das mache ich schon mein Leben lang, weißt du.«
Ich nickte entschieden. »Es gehört dir«, sagte ich. »Ich weiß doch sowieso nicht, was ich mit all dem vielen Geld anfangen soll.«
Sie betrachtete mich eingehend, dann zuckte sie die Achseln. »Wenn das so ist, freue ich mich natürlich, dir behilflich sein zu können.« Sie lächelte, und ich erwiderte das Lächeln.
»Hör mal«, sagte ich. »Vielleicht könnten wir gleich noch zusammen was essen gehen? Nur wir beide? Was hältst du davon? Dann könnten wir uns endlich mal richtig unterhalten. Ausführlich.«
»Nur wir beide?«
Ich nickte. »Wenn du magst …«
»Und ob«, erwiderte meine Mutter und drückte meinen Arm. »Vielen Dank, Jessica. Du bist die beste Tochter, die sich eine Mutter nur wünschen kann.«
»Wirklich?« Ich wandte mich ab, weil meine Wangen plötzlich so heiß waren. Meine Mutter hatte gesagt, ich sei die beste Tochter, die sie sich nur
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