Hauptsache Hochzeit
wünschen konnte. Ich war ganz aufgeregt innerlich, und ich wollte sie unbedingt in die Arme nehmen. Zugegeben, sie war keineswegs perfekt. Aber wer ist das schon? Und war das überhaupt
wichtig? Wichtig war doch vor allem, dass sie jetzt hier war. Wichtig war, dass ich das Beste machte aus der Situation und dass wir uns beide Mühe gaben.
Ich trat auf sie zu und wollte sie gerade in die Arme schließen, als unvermittelt die Tür aufging und Helen hereinkam. Ich ließ die Arme wieder sinken.
»Oh wow«, rief Helen. »Mein Gott, das war ja unglaublich. Ich will hier einziehen. Meint ihr, man kann diese Behandlungsräume mieten?« Glückselig lächelnd sank sie auf eine Bank und schaute zu uns auf. »Ihr habt es doch hoffentlich genauso genossen wie ich, oder? Ich meine, das ist ja wie im Paradies hier. Oder noch besser.«
»Ivana hat ihrer Masseurin erstmal anständiges Massieren beigebracht«, sagte ich trocken und grinste, als meine Mutter mich ansah. Helen riss die Augen auf und grinste dann auch.
»Na klar, war nicht anders zu erwarten. Und wie war’s bei dir?«
»Gut.« Ich nickte. »Die Masseurin ist … in meine Verspannungen reingegangen. Du weißt schon.« Ich sah meine Mutter wieder an. Meine Mutter. Erst jetzt wurde mir wirklich bewusst, was geschehen war, und ich konnte es kaum erwarten, mit ihr allein zu sein, ihr all die Fragen zu stellen, die mir plötzlich durch den Kopf schossen, und sie richtig kennen zu lernen.
»O ja«, seufzte Helen verträumt, »ich weiß. Müssen wir wirklich gehen?«
»Ich fürchte ja«, sagte ich bedauernd, nahm meine Kleider aus dem Spind und zog mich an. Meine Mutter hatte sich indessen in die Dusche begeben, obwohl Helen darauf hingewiesen hatte, dass die Öle doch über Nacht einwirken sollten.
Ich beeilte mich mit dem Anziehen, weil ich so aufgeregt war, dass meine Mutter und ich uns gleich ausführlich unterhalten würden. Ich holte mein Handy raus und schickte Max eine SMS, um ihm Bescheid zu geben. Dann dachte ich über alles nach, was ich meine Mutter fragen und was ich ihr sagen wollte. Sie ließ sich Zeit mit dem Duschen, föhnte sich ausgiebig die Haare und brauchte dann eine Ewigkeit für ihr Make-up. Alle paar Minuten meldete sich ihr Handy, das auf ihrem Bademantel lag, doch das störte mich nicht. Klar, sie war eine begehrte Person – warum auch nicht? Sie war meine Mutter, und ich war stolz auf sie.
Zu guter Letzt tauchte sie wieder auf, in ein kleines Handtuch gehüllt.
»Und, wo wollen wir hingehen?«, fragte ich, als sie sich anzog.
»Uuuh, wir gehen aus? Da gibt’s diese coole Bar gleich um die Ecke«, meldete Helen sich sofort zu Wort. »Bisschen undergroundmäßig. Supergute Musik.«
Ich lächelte unsicher. »Eigentlich wollte ich jetzt mit meiner Mam alleine was unternehmen«, sagte ich entschuldigend. »Irgendwo was essen gehen.« Ich schaute zu meiner Mutter hinüber, aber sie telefonierte und lachte leise. Als sie endlich aufhörte, sagte ich noch mal: »So, wo möchtest du denn gerne essen gehen?«
»Essen?«, fragte sie.
Ich nickte. »Oder auch nur was trinken«, antwortete ich. »Helen meint, hier in der Nähe gäbe es eine nette Bar. Wir könnten ja erst dahin gehen und uns dann nach… was ist?« Sie machte ein eigenartiges Gesicht, und ich sah sie fragend an. »Was ist los?«
Sie holte tief Luft. »Liebling, meinst du, es wäre sehr
schlimm für dich, wenn wir unseren kleinen Drink verschieben könnten? Ich meine, ich würde wirklich wahnsinnig gerne den Abend mit dir verbringen. Aber Chester simst mir schon den ganzen Tag, und jetzt hat er mich gerade inständig gebeten, mit ihm essen zu gehen. Ich möchte ihm so ungern absagen, Liebling. Das verstehst du doch, oder?«
Ich sah sie sonderbar an. Sollte das ein Witz sein? Machte sie sich über mich lustig?
»Ob es … sehr schlimm wäre?«, brachte ich hervor.
»Du weißt, ich würde dich nicht darum bitten, wenn es nicht… Ich glaube einfach, dass dieses Treffen sehr wichtig für mich sein könnte. Dass Chester wichtig für mich sein könnte. Ich habe so ein Gefühl, was ihn betrifft.«
»Ein Gefühl?« Mein Magen krampfte sich zusammen. »Ein Gefühl, das ihn wichtiger macht als mich?«
»Nicht wichtiger«, sagte sie und schüttelte nachdrücklich den Kopf. »Auf keinen Fall. Niemand ist wichtiger für mich als du. Aber Chester könnte… diese Sache könnte sich zu … ich muss an meine Zukunft denken, Jessica. Das verstehst du doch, oder? Bitte sag, dass du es
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