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Haus der Jugend (German Edition)

Haus der Jugend (German Edition)

Titel: Haus der Jugend (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Tietgen
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könnte mich denunzieren, verhaften, wegen unsittlichen Verhaltens, wegen sexueller Anträge, wegen Geschlechtsverkehrs mit einem Mann. Neuneinhalb Jahre Freiheit, von der ich schmecken durfte und trotzdem die gleiche Angst.
    Es beruhigte mich nicht, mit Darius im gleichen Gesetzesbruch verbunden zu sein. Er würde mich nicht verraten, davor hatte ich keine Angst. Mich beunruhigte der Gedanke, was er alles wusste. Hatte er meinen Vater gespürt, den überzeugten Nazi, der trotz allem schon wieder im Schuldienst stand? Oder hatte er die die Scheidung meiner Eltern ertastet, Theodore, den amerikanischen Soldaten, der bei uns einquartiert worden war und dessentwegen ich im Bett meiner Mutter schlafen musste, bis er es mit ihr teilte? Wusste er von Heinrich?
    Das waren alles keine Geschehnisse, von denen ich ihm nicht erzählen würde. Aber ich hätte gerne entschieden, wann.
    Ich war in der Ohlmüllerstraße angelangt, schlich die Treppen hoch, durch die Wohnung zu meinem Zimmer, so darauf konzentriert, leise zu sein, dass die Gedanken nachließen. Aus dem Wohnzimmer meiner Vermieter hörte ich gedämpfte Stimmen. Sie waren also noch nicht schlafen gegangen. In meinem Zimmer schaltete ich das Radio an, noch bevor ich den Dufflecoat auszog. Anders als Darius' Wohnung hatte mein Zimmer eine Heizung. Ich musste weder Kohle schleppen noch warten, bis es warm wurde. Ein unglaublicher Luxus. Leise ging ich in die Küche, erhitzte Wasser mit einem Tauchsieder, um Tee zu kochen. Durch die kalte Luft draußen und durch die wirbelnden Gedanken war ich viel zu wach, um schon schlafen zu gehen. Ich sah aus meinem Fenster über die beleuchtete Stadt Richtung Humboldtstraße. Warum hatte er es verderben müssen? Es war doch so schön mit ihm.
    Frau Bergmoser, meine Vermieterin, kam in die Küche. »Sie haben ja gar nichts von dem Gulasch gegessen, Herr Wrobel.« Sie schüttelte den Kopf und verzog leicht den Mund, da ich mit dem Hintern halb am Küchentisch lehnte, während ich auf das Wasser wartete. Etwas, das sie nicht ausstehen konnte. Die Hände wischte sie gerade in der zart karierten Schürze ab, die aussah, als wäre sie aus Geschirrtüchern selbst genäht. »Ein junger Mann wie Sie muss doch ordentlich essen.«
    »Die Gattin meines Chefs hatte mich eingeladen. Entschuldigen Sie, ich wollte nicht unhöflich sein.« Frühstück und warme Mahlzeiten gehörten zum Mietpreis. Vielleicht achtete Frau Bergmoser deshalb so darauf, was ich zu mir nahm und begutachtete mit skeptischem Blick meine Figur.
    »Abgenommen haben Sie jedenfalls nicht bei mir«, sagte sie lächelnd. »Hoffentlich haben Sie dort nicht so zugelangt. Sonst denkt Ihr Chef noch, Sie bekommen bei mir nicht genug.«
    »Er weiß, dass ich gut versorgt werde, Frau Bergmoser.« Das Wasser kochte, ich goss es über den Beutel Kamillentee, den ich schon in eine Tasse gehängt hatte.
    »Ja, das ist gut für die Verdauung«, stellte Frau Bergmoser zufrieden fest, bevor sie zu der Frage kam, die ich schon lange befürchtet hatte: »Wo waren Sie letzte Nacht?« Wäre sie nicht so enttäuscht über das verschmähte Gulasch gewesen, hätte sie die Neugier bestimmt nicht so lange zügeln können.
    »Es ist bei der Arbeit spät geworden. Ich wollte Sie nicht wecken, deshalb habe ich dankend das Angebot eines Kollegen angenommen, bei ihm auf der Couch zu schlafen.«
    Frau Bergmoser zog die linke Augenbraue hoch. »Sie können mir ruhig sagen, wenn Sie ein junges Mädchen kennengelernt haben«, sagte sie. Aber sie gab sich mit meiner Auskunft zufrieden, entfernte sich aus der Küche, während ich den Aufgussbeutel aus der Tasse nahm und in den Mülleimer warf. Kurz überlegte ich, ihr etwas Tröstendes hinterher zu rufen, ließ es aber bleiben und ging in mein Zimmer.
    Aus dem Radio drang leise ›Earth Angle‹ von den Penguins. »I´m just a fool, a fool in love with you«, sang ich den Text mit. Wie wahr.
    Der Tee beruhigte mich, die Wärme meines Zimmers versetzte mich in milde Schläfrigkeit. Ich zog mich aus, legte mich ins Bett und las in ›Stiller‹, einem Buch, das mir Theodore zu Weihnachten geschenkt hatte. Irgendwie passte es. Auf alle Fälle machte es mich müde genug, um aufzustehen, das Radio auszuschalten, als gerade ›Mr. Sandman‹ von den Chordettes lief, und zu schlafen. Der Sandmann wurde zwar um einen Traum gebeten, aber viel zu schnell, um dazu einzuschlafen.
     

    Der Sandmann hat die Bitte gehört, obwohl ich sie unterbrochen habe. Unter der behaglichen

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