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Haus der Jugend (German Edition)

Haus der Jugend (German Edition)

Titel: Haus der Jugend (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Tietgen
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öffnet sie kurz, schließt sie wieder, atmet erleichtert aus. In diesem Haus, welches doch sein Zuhause ist, das Leben, das er geführt hat, scheint er nicht zu wissen, was passiert, nicht hören zu können, was es erzählt, nicht spüren zu können, was in ihm vorgeht, wie er es aus meinen Gedanken kann. Er versucht es sich bequem zu machen, lehnt einen Arm über die Rückenlehne des Stuhls, als er sich wieder setzt, schlägt die Beine übereinander, holt ein Päckchen Zigaretten aus der Tasche. Die ganze Fahrt über hatten wir nicht geraucht. Der Geruch des Tabaks verbreitet vertraute Luft zwischen uns. Mit jedem Zug entspannen sich Darius‘ Gesichtszüge.
    Wir schweigen, bis er aufgeraucht hat, nicht mehr dies angestrengte Schweigen, das auf Ereignisse lauscht, sondern eines, das zur Ruhe kommt und kommen lässt. Ich nutze es, um mir noch etwas zu essen zu holen, ein Brötchen, etwas Erdbeerkonfitüre. Was soll uns hier passieren?
    »Er hat mir den Preis genannt, ja. Doch mir fehlte, wie du es so schön ausgedrückt hast, der Begriff von Ewigkeit. Ich saß im Gefängnis für etwas, das in diesem Gefängnis an der Tagesordnung war. Ich wusste nicht warum, nicht einmal, ob ich schwul bin, den Frauen wirklich nichts abgewinnen kann. Der Sex mit jenem jungen Mann war mein erster gewesen. Neugier, wie eine fremde Hand sich dort anfühlt, wohin ich sonst nur meine legte, hatte dazu geführt. Die Situation war durch die Feier und den geflossenen Wein begünstigt. Es gab aber durchaus tiefe Verbundenheit, ein warmes Gefühl für sein Gesicht, ein zerberstendes in der Berührung. Wir kannten uns lange, waren miteinander aufgewachsen, gemeinsam nackt geschwommen, kannten keine Scham voreinander, zogen sie nicht einmal in Erwägung. Wir waren etwas spät und unerfahren. Ich hatte keine Zeit, zu überlegen, wer ich bin, was ich bin und wie ich fühle.« Darius stutzt kurz, sieht mich an, als suche er etwas in meinem Gesicht, schüttelt nicht nur den Kopf, sondern den ganzen Körper. »Komisch, dass ich mich auf einmal an ihn erinnern kann.« Er nimmt sich eine abgekühlte Wurst von seinem Teller, beißt einmal hinein, schluckt, lehnt den Arm wieder über die Rückenlehne und erzählt weiter. »Ich landete im Gefängnis, bevor ich mir darüber Gedanken machen konnte. Und ich wollte hinaus. Der alte Mann, wunderlich, kauzig, bot mir die Freiheit an. Ich war verzweifelt genug, nach jedem Strohhalm zu greifen. Der Wert von Geschichte war mir höchstens theoretisch bewusst, nur Gegenwart zu haben, zu abstrakt. Also sagte ich ja.«
    »Du musst dich nicht rechtfertigen.«
    »Ich erkläre nur.«
    Zum ersten Mal, seit wir im Haus sind, lächelt Darius, zum ersten Mal kann ich mir wieder vorstellen, wie enthemmt wir hier einst sein konnten, weil wir uns so sicher fühlten.
    »Es gab keinen Paukenschlag, es passierte kein großes Wunder, bei dem ich nur die Augen schließen musste, um in der Freiheit zu erwachen. Ich wurde am nächsten Morgen aus der Zelle gerufen, der alte Mann schnarchte wieder, hatte aber jetzt im Schlaf die Wolldecke über sich gezogen. Im Büro der Gefängnisleitung gab man mir meine Entlassung bekannt und schickte mich in die herbeigesehnte Freiheit. Es folgen die üblichen Prozeduren, die Gefängniskleidung gab ich ab, meine persönlichen Sachen erhielt ich zurück. Ich musste darauf vertrauen, dass es meine waren. Erkannt habe ich sie nicht. Die Hosen und Hemden passten, das Foto auf dem Ausweis sah in etwa so aus wie das Bild im Spiegel, der Name darauf, der sich gestickt auch in der Kleidung befand, aber war mir unbekannt. Ich stand vor dem Gefängnis, wusste nicht, wohin. Vielleicht zu …« Erneut der suchende Blick, diesmal durch den Raum, erneut das Schütteln, das den Körper erfasst, etwas ungläubiges Staunen. »An den Namen kann ich mich nicht erinnern.» Kurz überlegt er, sammelt den Faden wieder auf. »Vielleicht zu dem Jungen, dessentwegen ich ins Gefängnis kam. Jedenfalls sehnte ich mich vor dem Tor nach Liebe. Ich war so oft gefickt worden, doch ich sehnte mich nach Berührung, nach Haut. Die Mauern ragten monströs hinter mir auf. Das Tor zum Gefängnis lag, wie mein Fenster darin, Richtung Norden. Es war Mittag, die Mauern warfen dunkle Schatten, denen ich entfliehen musste, also ging ich ziellos davon, ohne die Freiheit genießen zu können. Langsam sickerte eine Adresse in meinen Kopf, ein Ort, an den ich nicht nur gehen konnte, sondern musste. Er war mir unbekannt. Das war der gestickte

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